Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
aus rötlichem Nebel. Teilweise fehlten ihnen die Gliedmaßen, mitunter auch die Köpfe, und einige waren mitten entzweigerissen. Wütend bauten sie sich mit dem Rücken zu ihnen auf und stellten sich den Alben entgegen, die in diesem Moment durch die Decke brachen. Mia erhaschte einen Blick auf Alvarhas' Gesicht, der wütend die Fäuste vorstieß. Sofort schlugen albische Zauber gegen den Bannkreis, sie brachten die Luft zum Erzittern. Doch die zerrissenen Gestalten hielten stand, sie atmeten die Albenzauber ein wie Luft, und ihre gerade noch rötlichen Nebelkörper verfärbten sich, bis einige von ihnen schwarz wie Tinte waren.
    Da durchdrang ein silberner Ton den Kampfeslärm. Mia sah Alvarhas durch die flackernden Figuren. Er riss den Blick herum, für einen Moment starrte er sie an. »Lasst sie nicht entkommen!«, brüllte er und deutete mit dem Finger auf sie. »Um nichts in der Welt dürft ihr sie fliehen lassen!«
    Mit diesen Worten sprang er in die Luft und verschwand durch das Loch in der Decke. Die anderen Alben setzten ihre Angriffe fort, vereinzelt lösten sich Nebelgestalten im Bannkreis auf oder verbrannten wie flammendes Papier. Mia wich zurück, sie spürte Grims Arm um ihre Schulter.
    Hortensius sprang auf die Beine. Noch immer strömten Figuren aus dem Buch wie ein nicht enden wollender Fluss. »Gebt mir eure Hände«, sagte er, und kaum dass sie seiner Aufforderung gefolgt waren, sah Mia, wie zwei Gestalten aus der Menge der Geschöpfe traten: ein Teufel und ein Engel. Der Teufel hatte eine Haut wie verbranntes Holz und flackernde, goldene Augen. Seine Bocksbeine waren mit schwarz gelocktem Fell überzogen, auf seinem freien Oberkörper glänzte ein goldenes Amulett mit einem blassroten Tropfen in der Mitte. Auch der Engel trug ein solches Amulett. Seine Haut war weiß wie unberührter Schnee, seine Augen silberfarben und sein Körper in ein langes, glitzerndes Gewand gehüllt. Seine Schwingen bewegten sich hinter seinem Rücken wie Wolkenfetzen. Beide — der Teufel wie der Engel — schauten Hortensius an, bis dieser langsam nickte. Es war, als hätten sie sich in Gedanken unterhalten. Dann streckte der Zwerg seine freie Hand aus und drückte den Daumen zuerst auf das Amulett des Engels und dann auf das des Teufels. Mia schauderte, als sie die Blutstropfen sah, die daran hängen blieben. Noch einmal nickte Hortensius, und dieses Mal erwiderten Engel und Teufel die Geste, rissen die Münder auf und schrien.
    Mia fuhr zusammen, obwohl kein Ton aus ihren Kehlen drang, aber sie fühlte, dass sie sangen — ein Lied, das sie irgendwann einmal gehört hatte, eine Melodie, von der sie ein Teil war, ohne sich an sie zu erinnern. Die Figuren verloren ihren farblosen Schleier, sie erblühten wie Rosen im Frühling und begannen zu tanzen, immer wilder und schneller, und aus den Seiten des Book of Keils drang gleißendes Licht, bis Mia nichts mehr sah als flirrende Farben, in deren Mitte Engel und Teufel standen und das Lied der Ersten Stunde sangen — das Lied von Leben und Tod.
    Hortensius zog sie in den Lichtkreis des Buches. »Bleibt dicht zusammen«, sagte er atemlos.
    Mia spürte das Licht auf ihrem Gesicht, es war so warm und golden, dass sie die Angriffe der Alben fast nicht mehr wahrnahm. Sie umfasste Grims Arm — und verlor plötzlich den Boden unter den Füßen. Sie fiel durch einen Krater aus Licht, die Stimmen von Engel und Teufel umtosten sie, bis die Töne ihren Körper durchdrangen wie einen Nebelfetzen. Dann brach der Gesang ab, schlagartig erlosch das Licht um sie herum. Mia sah einen edlen roten Teppich auf sich zurasen und schlug im nächsten Augenblick auf dem Boden auf.
    Stöhnend kam sie auf die Füße und stellte fest, dass sie sich in einem prunkvollen Saal befand. Stuck verzierte die hohe, mit Kronleuchtern versehene Decke, antike Möbel standen an den mit rotem Stoff bezogenen Wanden, und vor den Fenstern hingen kostbare Vorhänge. Die Gemälde an den Wanden kamen ihr bekannt vor, ebenso wie die großen Spiegel über den Kaminen, die die Wand gegenüber der Fensterfront zierten.
    »Der Drawing Room«, sagte sie staunend. »Wir sind im Dublin Castle.«
    Hortensius kam neben ihr auf die Beine und nickte. »Man kann nicht immer steuern, wohin die Geister des Ahnenbuches einen führen, aber es hat funktioniert. Wir sind diesen verfluchten Alben entkommen.«
    Carven zog fröstelnd die Arme um den Körper. »Was wollen die hier?«, fragte er leise, als befürchtete er, Alvarhas allein

Weitere Kostenlose Bücher