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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ihn zurück, aber die Verzweiflung in seinem Blick jagte eisige Schauer über ihren Rücken. Da riss Grim seine Klaue aus ihrer Hand, ballte sie zur Faust und schlug sie so heftig gegen die Wand, dass die Spiegel zu Boden fielen und zerbarsten.
    »Verdammt!«, rief er außer sich. »Es war alles umsonst! Die Suche nach dem Krieger des Lichts, die Reise in den Rosengarten, der Kampf gegen Dramdya ... Wir hätten uns von ihr fressen lassen sollen, dann wäre uns dieses Trauerspiel erspart geblieben!«
    Mia holte tief Luft. »Wir haben noch immer das Schwert«, begann sie, doch Grim sah sie mit lodernden Augen an.
    »Und was soll uns das bringen?«, grollte er aufgebracht. »Ehe wir die Feen in ihre Welt zurücktreiben, müssen wir den Albenbann an uns bringen, um Alvarhas und seine Schergen in die Verbannung zu schicken und die Tore zur Zwischenwelt wieder zu verschließen! Aber in dieser Anzahl haben wir gegen die Alben keine Chance! Sie werden die Königin abschirmen, es wird uns niemals gelingen, bis zu ihr vorzudringen und ihr den Zauber abzunehmen! Dann wird die Grenze fallen und — alles ist vorbei!«
    »Nein!« Carvens Stimme kam so überraschend, dass Mia und Grim zusammenfuhren. Der Junge stand vor dem Fenster, der Himmel schickte das glutrote Licht über ihn hinweg in den Raum und zeichnete seine Konturen wie mit Blut überzogen nach. Seine Brust hob und senkte sich, Mia konnte sehen, wie aufgeregt er war. »Ich habe versucht, ein Held zu sein«, sagte er atemlos. »Ich habe versucht, das Richtige zu tun, meine Aufgabe zu erfüllen! Ich habe getan, was ich konnte, und jetzt soll einfach alles vorbei sein?«
    Remis flog auf Grim zu und deutete auf eine Tasche seines Mantels. »Der Junge hat recht«, sagte der Kobold. »Noch ist nicht alles verloren. Benutze den HIK in deinem Pieper, um mit Mourier Kontakt aufzunehmen! Lasst uns die Anderwelt rufen!«
    Mia spürte ihr Herz im ganzen Körper. »Nicht alle Anderwesen hassen die Menschen«, sagte sie eindringlich. »Vielleicht werden sie uns helfen, die Alben aufzuhalten und zur Schneekönigin vorzudringen!«
    Grim stand regungslos, aber Mia spürte die Schwärze in seinem Blick wie Feuer auf ihrer Haut, als er von einem zum anderen schaute, ehe sein Blick schließlich an Carven hängen blieb. »Ich habe immer für die Menschen gekämpft«, erwiderte er. »Aber langsam wird es Zeit, dass ihr eines erkennt: Niemand steht auf unserer Seite. Die Anderwesen denken, dass die Menschen nun das bekommen, was sie verdienen — was sie schon vor Jahrhunderten verdient haben! Wie oft haben die Menschen selbst Taten dieser Art vollbracht und so manches Volk damit in den Untergang getrieben!
Was, wenn sie es nicht anders verdienen?
Das ist es, was die Anderwelt denkt!«
    Carven sah ihn prüfend an. »Und was denkst du?«
    Grim holte tief Atem. Er schaute auf das Schiff über den Bäumen des Parks. Noch immer strömten zahlreiche Kinder auf das Gefährt der Königin zu. »Wir sind allein«, erwiderte er beinahe lautlos. »Es ist vorbei.«
    Stille senkte sich über ihre Köpfe, eine Stille, die Mia den Atem anhalten ließ. Carven schaute Grim an, tausend Empfindungen flackerten über sein Gesicht, Zorn, Enttäuschung, Verzweiflung, und Grim erwiderte seinen Blick regungslos. Für einen Moment gefror die Szene zu einem Standbild für die Ewigkeit: Grims große, dunkle Gestalt mit den abwehrend vor der Brust verschränkten Armen und den tiefschwarzen, flammenden Augen — und Carven, das Kind, das mit suchendem, durchdringenden Blick durch alle Masken und Mauern schaute, die Grim um sich errichtet hatte, und auf der anderen Seite, tief in dem steinernen Körper, einen Jungen fand, der etwas jünger war als er selbst. Es war der Junge, der Grim durch die Hölle geführt hatte, der Junge, dessen Herz Grim trug. Niemals, das wusste Mia, würde sie dieses Bild vergessen.
    »Ich habe mich bemüht, so wie du zu sein«, flüsterte Carven dann und wurde schneeweiß im Gesicht. Grim sah ihn unverwandt an, aber in seinen Augen tobte ein Sturm, der Mia den Atem stocken ließ. »Du warst wie ein Held aus einer meiner Geschichten. Du warst klug und mutig und stark, ich habe dich bewundert, auch wenn du alles andere als freundlich zu mir warst. Aber jetzt weiß ich es besser. Du bist kein Held. Denn als Held kann man zwar manchmal Angst haben und zweifeln, aber eines darf man nicht tun: Man darf niemals aufgeben. Und genau das ist es, was du gerade versuchst.«
    Grim stieß leise die Luft aus.

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