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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Obwohl die Gargoyles seit der Schlacht um Prag die Herrscher über die Anderwelt waren, gab es dennoch Völker, die seit jeher auf ihrer Unabhängigkeit bestanden und häufig ganze Stadtbezirke in Besitz genommen hatten, selbstverständlich ohne dass die Menschen etwas davon ahnten. Zu ihnen gehörten Gruppierungen wie die Geister, die Werwölfe — und die Vampire.
    Sie verteilten sich über ganz Paris ebenso wie in der Unterwelt, und doch gab es Bezirke, die eindeutig einer dieser Gruppen zugeordnet werden konnten. Die Geister organisierten selbstständig und aus Eigeninteresse die Maßnahmen zum Schutz der Pariser Friedhöfe, und die Werwölfe bewohnten die großen magiefreien Zonen in der Stadt. Beide Völker hatten für gewöhnlich kein besonderes Verlangen, Näheres mit den Menschen zu tun zu haben. Ganz anders verhielt es sich mit den Vampiren. Sie hatten ihr Leben eng mit dem der Sterblichen verknüpft, mehr noch: Sie hatten die Gesellschaft der Menschen infiltriert. Keine mächtige Firma, die nicht mindestens einen Blutsauger im Vorstand aufwies, und keine wichtige politische Entscheidung, die nicht von unsterblichen Strippenziehern beeinflusst wurde. Grim dachte an eine legendäre Kabinettssitzung vor einigen Jahren, in der die vampirischen Mitglieder auf ganz bestimmte Getränke bestanden hatten — den Menschen waren diese vermutlich erschienen wie Traubensaft oder Wein. Grim seufzte leise. Eindeutig waren die Vampire die Aristokraten der Anderwelt, das waren sie schon immer gewesen, und er konnte bis auf wenige Ausnahmen nicht sonderlich viel mit ihnen anfangen. Und jetzt musste er also in ihrem Viertel ermitteln, denn das Marais war nichts anderes als das Zentrum der vampirischen Macht in Paris.
    Remis stach Grim seine froststarren Haare in den Hals und brachte sich so wieder in Erinnerung. »Unser Ziel ist das älteste Haus der Stadt in der Rue Volta«, fuhr er fort. »Ich habe Spürnasen am Eingang postiert. Und ich habe den Prinzen informiert. Er ...«
    Augenblicklich warf Grim ihm einen wütenden Blick zu. »Du hast
was?«
    Remis hob leicht die Schultern. »Du weißt, dass er sehr ungemütlich werden kann, wenn er von Dingen, die in seinem Bezirk passiert sind, als Letzter erfährt.«
    Gerade in diesem Moment überflogen sie das Hôtel de Sens. Offiziell war dieses Gebäude Eigentum der Stadt, und letztlich stimmte das sogar, denn es gehörte, ebenso wie unzählige andere repräsentative Bauwerke, dem wahren Herrscher über die Menschen von Paris, demjenigen, der in diesem Augenblick vermutlich bereits in der Rue Volta auf Grim wartete: Lyskian, Mäzen der Stadt, Prinz der Vampire.
    »Er ist dein Freund, vergiss das nicht«, sagte Remis und brachte Grim dazu, die Augen zu verdrehen.
    »Das weiß ich selbst«, grollte dieser. »Aber das bedeutet noch lange nicht, dass mir der Blutsauger nicht immer wieder ganz gewaltig auf die Nerven geht, vor allem, wenn er sich in Sachen einmischt, die ihn nichts angehen.«
    Remis wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment erreichten sie die Rue Volta. Für einen Moment blieb Grim reglos in der Luft stehen. Lyskian war wider Erwarten nicht da. Stattdessen hockten drei zitternde Kobolde auf dem steinernen Fenstersims des Chinarestaurants, das sich in der unteren Etage eines Tudorhauses befand. Es gab viele alte Gebäude in Paris, vor allem im Marais, und immer wieder beanspruchten einige von ihnen den Rang, das älteste Haus der Stadt zu sein. Doch keines davon verströmte den Duft der Vergangenheit wie eine Aura aus zum Leben erwachenden Märchen — mit Ausnahme dieses Hauses in der Rue Volta. Neben einer Holztür an der rechten Seite des Gebäudes führten zwei weitere Türen ins Innere, eine besaß Glasfenster, die andere zierte ein metallener Türklopfer. Über ihnen prangte eine Laterne, deren Glas gebrochen war.
    Mit leisen Schwingenschlägen näherten sich die anderen Schattenflügler. Grim bedeutete ihnen, auf den umliegenden Häuserdächern zu warten, und landete lautlos auf der schneebedeckten Straße. Remis sauste von seiner Schulter und flog neben seinem Gesicht auf und ab.
    »Meine Leute sind dabei, die Spur des Gesuchten aufzunehmen, aber ...« Der Kobold holte tief Luft. »Nun ja, es ist schwieriger, einen dünnen Faden zu finden als ein riesiges Wollknäuel.« Flüsternd brachte er einen Koboldzauber über die Lippen, strich in fließender Bewegung mit seinen Händen vor Grims Augen durch die Luft und schnippte mit den Fingern. Sofort bildete sich

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