Grim - Das Erbe des Lichts
Atemzüge und wusste, dass sie schlief, aber das Fieber griff noch immer nach ihrem Verstand, und ihr Blut kochte in ihren Adern, dass Grims Finger heiß wurden auf ihrer Haut.
»Ihr kennt die Geschichten um mein Volk«, fuhr Theryon fort, während er mit der Pipette über Mias Wangen strich, langsam und vorsichtig, um den Nebel gleichmäßig zu verteilen. »Es zog sich aus dieser Welt zurück und hat keine Möglichkeit mehr zurückzukehren, da es seine Welt vor langer Zeit mit einer undurchdringlichen Grenze umgeben hat.«
Grim nickte. Wenn er auch nicht viel über die Geschichte der Feen wusste, so war diese Information der Anderwelt doch allgemein bekannt.
»Wenn eine Fee dennoch in diese Welt kommt, muss sie einen anderen Weg gefunden haben«, fuhr Theryon fort. »Und eine Möglichkeit, die Grenze zu umgehen, ist eine Reise durch die Zwischenwelt. Besagte Fee hat Jakob in der Feenwelt in ihre Gewalt gebracht und ihn durch ihre Kraft zurück in die Welt der Menschen geschickt. Dort zwang sie ihn, die Alben zu rufen, die sich hier mit blutigen Morden stärkten, um nun einige Feen in die Welt der Menschen zu holen.«
Theryon ließ die Pipette sinken. »Es dauert eine Weile, bis diese Stufe des Zaubers sich vollendet hat«, sagte er und reichte die Pipette an Milo weiter, der dicht hinter ihm stand und sie eilig mit einem geflüsterten Zauberwort reinigte, ehe er sich einige Schritte zurückzog.
Grim beugte sich vor und betrachtete den Nebel, der von Mias Gesicht aus über ihren ganzen Körper glitt, bis er diesen vollständig bedeckte. Sie lag da wie unter einer Schicht aus Eis. Langsam, kaum merklich wurde der Nebel an mehreren Stellen durchscheinend.
Remis kratzte sich am Kopf. »Soweit ich weiß, haben die Feen ihre Welt nicht grundlos verschlossen«, warf er ein. »Ich habe Geschichten gelesen, in denen Feen kurz vor ihrem Entschluss, ins Exil zu gehen, am helllichten Tag verbrannten, da die Menschenwelt für sie zu einem feindlichen Ort geworden war. Warum sollten die Feen zurückkehren, wenn sie nach kurzer Zeit sterben müssen, weil die Welt der Menschen sie umbringt?«
Theryon nickte düster. »Es ist wahr: Die Welt der Menschen ist meinem Volk fremd geworden und mehr als das: Sie ist für meinesgleichen inzwischen gefährlich. Das hat seine Gründe. Euch wird aufgefallen sein, dass es keine jungen Feen gibt, auch wenn sie vielleicht bisweilen so aussehen. Feen sind immer alt, selbst wenn sie gerade erst geboren wurden. Sie sind die Erkenntnis. Sie sind die Grausamkeit und die Weisheit — vielleicht ähnlich wie die Drachen. Wir sind der reine Geist. Wie ein gefräßiges Tier wohnt er in uns, ein grausames, eiskaltes Ungeheuer, das alles und jeden in ewiger Gier verschlingt. In seinem Licht aus Schatten wird alles kalt und tot. Aus diesem Grund spiegeln unsere Augen nichts — sie zeigen eine Maske, da kein anderes Wesen die Finsternis ertragen würde, die dahinter liegt. Jedes Geschöpf dieser Welt würde sich in unserer Dunkelheit verlieren und dem Wahnsinn verfallen. Nur andere Alben sind gegen diesen Feenblick immun, denn man kann nicht den Verstand verlieren im Angesicht von etwas, das man selbst in sich trägt. Dennoch fürchten manche Feen sich selbst vor der Nacht in ihrem Inneren. Auch aus diesem Grund halten wir uns in unserer Finsternis an jenen Erlebnissen fest, die uns einst berührten: um auf dem Seil, das uns über dem Abgrund des Geistes hält, nicht abzustürzen. Doch ob wir uns nun vor der eigenen Finsternis fürchten oder sie verehren: Keiner Fee ist es möglich, ihr ohne Linderung ins Angesicht zu schauen. Für Außenstehende ist nur schwer zu ermessen, wie kalt ein Leben in der Atmosphäre des reinen Geistes ist. Doch es gibt einen Zauber in der Welt, der alles umfließt. Manche Anderwesen nennen ihn
Das Erste Licht,
und wie ihr wisst, gehören wir Feen neben den Elfen zum Volk der Lichtalben. Während die Elfen bis in ihr tiefstes Inneres mit der wachsenden und sterbenden Natur verbunden sind, ist unser Lebenselixier dieser Zauber. Er ist das Gegengewicht zur Kälte unseres Geistes, doch im Unterschied zu den meisten anderen Geschöpfen tragen wir ihn nicht in uns, da unsere Dunkelheit ihn nicht dauerhaft neben sich dulden würde. Aber er durchfließt uns wie unser eigenes Blut, auch wenn er mehr ist als das — viel mehr. Wenn er uns genommen wird, müssen wir sterben. Er ist die reinste Form der Magie.«
Grim zog die Brauen zusammen. »Ich habe von diesem Zauber gehört, aber
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