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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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er gehört ... das Reich der Toten, aus dem es keine Wiederkehr gibt.«
    Da riss Mia ihren Blick von der Königin los. Noch einmal schaute sie Jakob an, dann fuhr sie herum, sodass Alvarhas vor ihr zurückwich. Die Kälte brach von ihrem Körper ab wie verkrustetes Blut, als sie auf ihn zutrat. Dicht vor ihm blieb sie stehen und starrte in sein diamantenes Auge. »Ihr seid nichts als Schatten aus Eis«, sagte sie und spürte den Nebel, der wie Gift von seinem Körper ausströmte. Die Luft in ihrer Lunge wurde so kalt, dass ihre Worte kaum mehr waren als ein Flüstern. »Und ich werde euch mit allen Feuern der Welt verfolgen, wenn ihr meinem Bruder etwas antut!«
    Mit diesen Worten stürzte sie sich vor, hinein in die kristallene Dunkelheit seines Inneren. Wieder hörte sie seine Stimme, wie sie sie bereits in der Einkaufspassage des Louvre vernommen hatte, und wieder war sie sanft und zart ohne jede Spur von Hass. Doch dieses Mal ließ sie sich nicht aus seinem Inneren verbannen. Sie spürte, dass er einen mächtigen Zauber sammelte, einen Zauber, der jeden Knochen in ihrem Leib zu Staub zermahlen konnte. Doch sie wandte sich nicht ab. Entschlossen kämpfte sie mit den Schleiern aus gleißendem Licht, bis sie ein Kind sah — ein weinendes Kind neben einem Toten. Es war ein Junge von vielleicht fünf Jahren, sein Haar war schwarz, und er lag auf der Brust des Toten, als wollte er ihn mit seinen Tränen wieder zum Leben erwecken. Im nächsten Moment riss Alvarhas sich los. Mia spürte einen heftigen Schlag vor die Brust, sie taumelte rückwärts und schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Benommen hob sie den Blick.
    Alvarhas war vor ihr zurückgewichen, er wandte sich ab und schritt auf die Königin zu. Auf halbem Weg blieb er stehen und schaute zu ihr zurück. »Du bist schwach«, raunte er, und Mia hörte die Erregung in seiner Stimme wie das Vibrieren einer zu stark gespannten Saite. »Vielen habe ich bereits genommen, was du noch besitzt, und auch du wirst es verlieren — früher oder später. Und dann wirst du nicht mehr als ein Schatten sein — wie ich!«
    Mit diesen Worten setzte Alvarhas seinen Weg fort, für einen Moment schien es Mia, als liefe er vor ihr davon. Sie spürte den Blick der Schneekönigin, die noch immer am Ende des Jahrmarkts stand und sie betrachtete. Die Scherbe in ihrer Brust schob sich durch ihr Fleisch, ein unmenschlicher Schmerz raste als gewaltige Welle durch ihren Körper, doch sie wandte sich nicht ab. Langsam zog die Königin sich mit Alvarhas und ihrem Gefangenen zurück. Das Letzte, das Mia sah, war Jakobs Gesicht, ehe es im Nebel verschwand.

Kapitel 17

    er Senatssaal war überfüllt. Überall auf den Rängen aus weißem Marmor drängten sich die Anderwesen Ghrogonias in ihren üblichen Grüppchen: Die konservativen Gargoyles waren ebenso anwesend wie die gemäßigten und die revolutionären Hybriden, die Kobolde hatten sich wie gewöhnlich die Ränge über dem säulenumrahmten Eingangsportal gesichert, und die Gnome und Waldschrate besetzten den linken Flügel neben dem Thron des Königs, auf dem Mourier bereits Platz genommen hatte. Selbst die Vampire waren gekommen. Von mehreren Blutsaugern umgeben, saß Lyskian so nah am Eingang wie möglich, als wollte er jeden Augenblick aufstehen und gehen.
    Noch immer strömten weitere Senatoren in den Saal, schritten über das riesige Mosaik in der Mitte und suchten ihre Plätze in den Rängen auf. Grim hatte ihnen den Rücken zugekehrt. Er stand an einem der langen grün schimmernden Fenster, die den Schwarzen Dorn seit dem Umbau im obersten Stockwerk zierten, und sah das Mosaik vor seinem inneren Auge, dieses kunstvolle Gebilde aus weißen und schwarzen Kristallen, das Ghrogonia als schwebende Stadt zeigte. Hoch über den Schluchten strahlte sie wie ein schwarzer Stern. Dieses Bild sollte die Bewohner Ghrogonias daran erinnern, wie kostbar ihre Stadt war und wie schön sie wieder werden konnte: ein Juwel, in der Luft gehalten von den Träumen ihrer Bewohner und dem Ziel, gemeinsam für eine strahlende Zukunft zu kämpfen.
    Vor noch nicht allzu langer Zeit waren nur steinerne Stimmen im Senat erklungen, der damals ein dunkler Raum in einem anderen Gebäude der Stadt gewesen war. Nach Mouriers offizieller Ernennung zum König hatte er als erste Amtshandlung die Pforten des Senats für alle Bewohner Ghrogonias geöffnet und den Sitz in die Spitze des Schwarzen Dorns verlegt als Symbol dafür, dass in der Stadt aller das Volk regieren

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