Grim - Das Erbe des Lichts
und meine Unsterblichkeit mit einem Hauch Farbe durchströmten — Menschen wie Mia Lavie, die mir in den vergangenen Monaten eine Freundin wurde, wenn dies überhaupt im Rahmen des Möglichen liegt: eine Freundschaft zwischen Unschuld und Verdorbenheit.«
Grim warf Mia einen Blick zu, die regungslos zu Lyskian hinüberschaute. Ihr Gesicht war noch blasser als zuvor, und trotz des kaum merklichen Lächelns auf ihren Lippen war es ihm unmöglich zu erraten, was sie dachte.
»Jederzeit würde ich mein Leben für sie riskieren«, fuhr Lyskian fort. »Ebenso wie für ihren Bruder, der sich in diesen Augenblicken in der Gewalt der Schneekönigin befindet und den Schatten ihrer Grausamkeit bereits seit einiger Zeit auf seinen Schultern fühlen muss. Ich würde für Menschen wie diese beiden die Ewigkeit aufgeben — denn sie bedeuten das Leben, sie verheißen Veränderung und Hoffnung.« Er hielt kurz inne und ließ seinen Blick für einen Moment auf Mia ruhen. Dann wandte er den Kopf und sah Grim an. »Aber ich stehe nicht vor euch als Lyskian, der Menschenfreund«, sagte er leise, und das letzte Wort streifte Grims Wange wie ein Atemzug. »Ich bin hier als Prinz der Vampire. Ich trage die Verantwortung für mein Volk — und es gibt in der Gesellschaft der Vampire größere Mächte als die meine.« Lyskian sog die Luft ein, Grim schauderte, als er die Schatten unter der Haut des Vampirs sah wie eine unheilvolle Krankheit. »Mir wurde unmissverständlich mitgeteilt, dass ich unter keinen Umständen für die Menschen in die Schlacht ziehen darf«, fuhr er fort. »Die Vampire werden sich mit den Feen einigen. Sollte ich diesen Anweisungen zuwiderhandeln, werde ich damit nicht nur mein eigenes Leben auslöschen, sondern auch das derjenigen, an deren Seite ich kämpfen werde. Diesen Befehl erhielt ich von der höchsten Autorität meiner Welt — von Bhragan Nha'sul, dem Lord der Vampire mit Sitz in der Goldenen Stadt.«
Grim spürte die Kälte, die auf einmal bei der Nennung dieses Namens durch den Saal kroch, und ein Schauer glitt über seinen Rücken, als Lyskian sich ohne ein weiteres Wort auf seinem Platz niederließ. Grim schaute zu Mia hinüber. Ihre Augen waren wie tiefgrüne Seen, die jede Empfindung in sich verborgen hielten.
Da reckte ein Kobold die Hand. Er trug einen kostbaren Gehrock und knielange, waldgrüne Hosen. Sein Gesicht war faltig, doch seine Augen blitzten listig unter zusammengekniffenen Lidern. Framus war sein Name, Grim kannte ihn aus zahlreichen Diskussionen als sachlichen Senator mit ausgesprochenem Gerechtigkeitssinn. Er war ein alter Mentor von Remis, und Grim sah, wie der Kobold nun auf seiner Lehne ein Stück weit nach oben rutschte, als befinde er sich noch immer in der Ausbildung und müsste vor seinem Lehrer Haltung annehmen.
»Ich wünschte, dass ich etwas anderes sagen könnte«, begann Framus mit einer Stimme wie knarrendes Holz. »Im vergangenen Jahr habe ich einige Menschen kennengelernt, die es wert sind, so bezeichnet zu werden: als Menschen. Da ist Mia Lavie, unsere Retterin der ersten Stunde, die sich aufopfernd um eine geeinte Welt bemüht, oder ihre Mutter Cecile, die trotz des Zaubers des Vergessens ohne Furcht Ghrogonias Straßen durchschreitet, und ihre Tante Josi, die ebenfalls von dem Zauber beeinflusst wird und dennoch stets bemüht ist, das wahre Wesen der Dinge zu erkennen. Doch es gibt auch andere Menschen, und sie sind es, von denen ich sprechen möchte.« Er hielt kurz inne. Grim spürte sein Herz in den Schläfen. »Die Menschen, von denen ich sprechen will, haben nicht nur den Gargoyles und Hybriden Leid angetan. Uns Kobolde haben sie gesteinigt, verbrannt und gefoltert, sie haben unsere getrockneten toten Körper als Glücksbringer missbraucht und mit unseren Haaren ihre Spiegel geputzt. Nicht umsonst sind wir ins Verborgene geflohen, und ich weiß, dass es vielen hier ähnlich ergangen ist. Was ist mit euch Gnomen, deren Höhlen ausgebrannt und deren Häuser dem Erdboden gleichgemacht wurden? Und ihr Waldschrate, die ihr den Menschen niemals Böses antun wolltet, wurdet in unzähligen Feuern verbrannt, weil diese Menschen, von denen ich spreche, dumm und blind sind — ja, nichts weiter sind sie.« Er schaute zu Mia hinüber, die regungslos auf ihre Hände blickte. »Es gibt Ausnahmen«, sagte er leise. »Da stimme ich unserem Prinzen der Vampire zu. Aber viele sind es nicht. Leider.« Dann holte er tief Atem und wandte sich an alle. »Die Gargoyles und die
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