Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
nebeneinander im Regal, dass eine Lücke das Fehlen von zumindest einem verriet, dem diesen Jahres.
Jury konnte sich vorstellen, dass die Bücher, die Croft am häufigsten konsultiert hatte, nebeneinander standen und nicht etwa nach Thema, Verfasser oder alphabetisch sortiert waren. Er zog sein Notizbuch hervor, um die Titel wieder zu lesen, die Miss Penforwarden ihm genannt hatte, und hielt nach diesen beiden Büchern Ausschau. Wie er sich gedacht hatte, standen sie in einer Regalecke dicht neben dem Ledersessel nebeneinander. Der Sessel hätte gut zu denen bei Boring's gepasst. Er war ziemlich abgenutzt, und Jury nahm an, dass er Simons Lieblingssessel war. Er setzte sich hin, um die beim Moonraker gekauften Bücher zu begutachten. Beim Durchblättern fielen ihm zahlreiche Markierungen und Randbemerkungen auf. Solemn December war, obwohl erst kürzlich erstanden, bereits ziemlich zerlesen.
Zwischen zahlreichen Seiten steckten kleine Papierstreifen und gelbe Haftnotizen. Großbritannien im Jahre 1940, lautete der Untertitel des Buches. Wie Miss Penforwarden gesagt hatte, ging es in dem Buch genau um sein Thema. Ein gutes Drittel bestand aus Fotografien, und der Text selbst handelte vom harten Schicksal und dem Mut der Briten - Luftschutzhelfern, Freiwilligen, Ladenbesitzern und ganz gewöhnlichen Bürgern. Es war nostalgisch, ein Buch über nationalen Stolz und Hoffnung.
Als solches, konnte Jury sich denken, war es für Croft jedoch von begrenztem Textwert und nicht dicht genug. Das Bild, das er sich mittlerweile von Simon Croft machte, war das eines komplexen Menschen, von jemandem, der großen Wert auf Familie und Vergangenheit legte, sich allerdings nicht hinters Licht führen lassen würde. Wovon genau er sich nicht »hinters Licht führen lassen würde«, konnte Jury nicht sagen. Maisie Tynedales Identität kam dafür jedenfalls in Frage.
Wieder überlegte er: Wenn jemand Crofts Computer, Tagebuch, Terminkalender, Aufzeichnungen und Festplatte entwendet hatte, um eventuelle Erkenntnisse zu vernichten, die Croft zufällig gewonnen hatte, wieso waren diese Bücher hier dann nicht ebenfalls weggeschafft worden? Das nächste, Fourteen Days, war mit ausführlichen Notizen und Randbemerkungen versehen. Ein oft benutztes Buch, das im Gegensatz zu dem anderen mit wichtigen Materialien gespickt schien. Jury musste mit dem anfangen, was er über ein mögliches Motiv für diesen Mord wusste, war sich bisher aber lediglich über das mutmaßliche Motiv von Kitty Riordin und ihrer Tochter Erin im Klaren. Dass Croft den Schwindel mit der falschen Identität auf gedeckt hatte (»Simon sprach von Betrügern, von Schwindlern«) und die Riordin deswegen zur Rede gestellt hatte, hätte ihr als Motiv ausgereicht, ihn umzubringen.
Ein weiterer Punkt war der mutmaßliche Versuch, jemanden im Gewächshaus zu erschießen. Bestand jedoch überhaupt ein Zusammenhang zwischen den beiden Schießereien? Vielleicht nicht, doch Jury hasste Zufälle.
Eine mit Perlmutt eingelegte Zigarettendose stand auf dem Tisch neben seinem Sessel. Er stand auf und ging im Zimmer umher, um sich geistig in Simon Croft hineinzuversetzen. obwohl es ihm widerstrebte, die Dinge miteinander zu vermischen, weil sich der Kreis der Möglichkeiten dadurch erweiterte, war Jury klar, dass er die Wahrscheinlichkeit in Betracht ziehen musste, dass Crofts Ermordung eher mit seiner Arbeit als Börsenmakler als mit seiner Familie oder Vergangenheit zu tun hatte, wie Plant gemeint hatte. Vielleicht hatte er für einen seiner Kunden Verluste gemacht, vielleicht war Betrug im Spiel. Vielleicht. Jury bezweifelte es. Croft schien ihm einfach nicht der Typ dafür. Mehr noch, Crofts Verhalten während seines letzten Besuchs bei Miss Penforwarden hörte sich nicht nach dem eines Verzweifelten an, der mit den Fingern in der Ladenkasse erwischt worden war. Nein. Allerdings hatte Miss Penforwarden Crofts seelische Verfassung ganz anders beurteilt als Mrs. MacLeish, Haggerty der Gemüsehändler Smith oder die Knaben vom Delphinium. Das war interessant.
Jury hatte zweimal die Runde gedreht, sich hier und da hingestellt und blieb nun vor dem Aktenschränkchen aus Rosenholz stehen. Gepriesen sei dieser Mensch für seinen Ordnungssinn! Jury zog eine Mappe mit der Aufschrift »Korrespondenz« hervor. Die Briefe waren vermutlich nach Datum geordnet, die vordersten wären in Anbetracht von Crofts gewissenhafter Anordnung von Papieren also die neuesten. Jury sah sie durch und war von dem
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