Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
restauriert, du kannst dir ja vorstellen, was für eine Arbeit das war!« Denn in der Hinsicht konnte selbst Agathas heimtückische Fantasie mithalten.
Tat sie aber nicht, denn Agathas Augenlider flatterten, während sie sanft auf dem Sofa hin und her schwankte und die Augen geschlossen hielt vor Masolinos und Masaccios Freundschaft und der Tatsache, dass die beiden gemeinsam viele von diesen Fresken gemalt hatten. Melrose redete weiter, bis er ihr mit Schluckauf durchsetztes Schnarchen vernahm.
Er trat ans Sofa und rief: »Agatha!« Sie aus dem Schlaf aufzuschrecken, war immer ein Riesenspaß.
Sie klappte die Augen auf. »Ach, ich muss ja los. Meine Güte, Melrose, wie lange hast du mich denn wieder aufgehalten mit deinem Gequassel?« Sie raffte Handtäschchen und Einkaufstasche zusammen (es hatte sich keine Gelegenheit ergeben, diese mit dem köstlichen Konfekt seiner Köchin Martha vollzustopfen), stand auf und rückte ihren Hüfthalter zurecht.
»Gehst du?« Gott sei Dank!
»Ich muss los!«
Ach, du Schande!, dachte er, kaum dass sie fort war. »Meine Autoschlüssel, Ruthven!«
Swinton Barrow lag fünfundzwanzig Meilen südwestlich von Long Piddieton und war diesem recht ähnlich, aber im größeren Maßstab. Swinton hatte von allem eben einfach mehr - einen größeren Dorfplatz, mehr Antiquitätengeschäfte und Buchläden.
Augenblicklich besah sich Melrose die Antiquitätengeschäfte. Den Wagen hatte er vor dem Owl auf der anderen Seite des Dorfplatzes geparkt. Er spähte über die von Kastenhecken umgebene Rasenfläche mit den Bänken, auf denen der Schnee liegen geblieben war. Wie Rüschen lag der Schnee auf den Rückenlehnen der Bänke. Es war eine freundliche Winterszene. Jasperson's lag, wie Agatha (in einem seltenen Moment wahrheitsgetreuer Berichterstattung) gesagt hatte, dem Pub direkt gegenüber.
Eine Glocke ertönte, als er die Tür zu einem großen Raum öffnete, in dem es nach Holzpolitur und Geld roch. Trueblood könnte hier gut und gern eine Woche zubringen. C. Jasperson kannte sich auf seinem Gebiet aus. In der Mitte des Ladens stand ein großer Tisch mit grüner Marmorplatte auf einem vergoldeten, mit Putten verzierten Sockel. Ein anderer hätte das Stück wohl recht prächtig gefunden, Melrose konnte Verzierungen mit Engelchen aber nicht ausstehen und musste mächtig an sich halten, ihnen keinen Fußtritt zu versetzen. Zu seiner Rechten befand sich ein hinterspiegelter Bücherschrank aus der Zeit von Queen Anne, den er eigentlich recht gern in Ardry End hätte stehen sehen. Auf dem mit Intarsien versehenen Schreibtisch in Walnussholz stand eine kostbar vergoldete Teedose. Melrose, dem es gefiel, wenn er in Dingen andere Dinge fand, stellte entzückt fest, dass in der großen Dose noch drei kleine Teedosen versteckt waren. Lächelnd machte er den Deckel wieder zu.
Nicht weit davon stand ein Arbeitstisch, auf dessen Innenklappe ein Spiegel angebracht war. Der hätte Vivian gefallen. Melrose machte im Geiste noch einmal Weihnachtseinkäufe. Während er von einem Stück zum nächsten ging, wanderte sein Blick über die Wände, auf der Suche nach dem Gemälde - oder Tafelbild -, vom dem Agatha behauptet hatte, es sähe aus wie das von Trueblood. Er erblickte es erst, als er sich einer kleinen Wandnische zu seiner Linken näherte. Dort hing es. Ausnahmsweise hatte Agatha einmal Recht gehabt. Das Gemälde stellte entweder einen Heiligen oder einen Mönch dar und hätte das Pendant zu Truebloods Stück sein können. Dass dieses Gemälde ebenfalls Teil eines Altarbilds von Masaccio sein könnte, war allerdings lachhaft.
»Hallo.«
Beim Klang der weichen Stimme fuhr er zusammen. Er drehte sich um und sah sich dem fleischgewordenen Inbegriff einer Großmutter gegenüber. Es war dieses rosiggesichtige, himmelblauäugige, mit hinreißend korallenrotem Lippenstiftmund gesegnete Wesen, das jeder zur Großmutter haben wollte, aber nie bekam. Sie lächelte ihn an und sah richtig weihnachtlich-fröhlich aus.
»Kann ich Ihnen helfen?« Melrose deutete eine Verbeugung an. »Ich interessiere mich hierfür. Ein Freund von mir sagte nämlich, er hätte ein ganz ähnliches in Swinton entdeckt. Sind Sie Miss Eccleston?«
»Ja, ganz recht. Amy Eccleston. Ach ja, er war kürzlich erst hier, vor etwa zwei Wochen muss das gewesen sein. Er war ziemlich beeindruckt von dem Tafelbild. Ich glaube, dass es sich bei den beiden möglicherweise um die Seitentafeln eines Triptychons oder Polyptychons handeln könnte.
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