Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
»Was zum Teufel soll dieser Anruf? Das ist ja wie damals im Internat. Wenn man einen Anruf von zu Hause bekam, wanderte der Hörer auch immer von einem Familienmitglied zum nächsten.«
    In Melrose Plants Stimme klang Schulterzucken durch. »Kenne ich nicht. Das mag allerdings daran liegen, dass ich nie im-«
    Jury kniff die Augen zu und schlug sich den Hörer mehrmals leicht gegen den Kopf. »Ist bei Ihnen eigentlich das Wortwörtlichkeitsvirus ausgebrochen?«
    »Hä?«
    Jury klappte wieder unsanft eine Seite der Wu-Akte um. »Ich kann nicht nach Florenz fahren.« »Wann haben Sie das letzte Mal Urlaub gemacht?«
    Jurys Blick schweifte zu einer Reihe von Reiseprospekten hinüber, die Wiggins auf seinem Tisch liegen gelassen hatte. »Letzte Woche. Ich bin nach Vegas hinübergejettet und im Cirque du Soleil aufgetreten. Ich tauchte vom Dachgebälk auf eine unter Wasser gesetzte Bühne ab.«
    Diesmal folgte echte Stille. Offenbar reichten sie wieder das Telefon herum. Als Melrose sich wieder meldete, fragte Jury: »Können Sie sich erinnern, ob Sie während des Krieges evakuiert wurden?«
    »Gütiger Himmel, das ist aber ein abrupter Themenwechsel. Wohin denn evakuiert? Wir befinden uns hier an einem Ort, in dem Leute evakuiert wurden. Die Antwort ist jedenfalls nein. Ich war damals noch gar nicht geboren«, sagte Melrose. »Sie erinnern sich also nicht?«
    »So verhält es sich im Allgemeinen bei Ungeborenen. Wieso?«
    Jury betrachtete das Foto von Kitty Riordin mit der kleinen Maisie auf dem Arm (falls es Maisie war). »Ich versuche nur gerade die Identität einer Person herauszufinden, die damals bereits geboren war. Und wer von zwei Frauen die Mutter dieses Babys ist.«
    »Schlagen Sie doch vor, es in zwei Hälften zu teilen. Hat bei Salomo nämlich funktioniert.«
    »Ich wusste ja, auf Sie kann ich mich immer verlassen.« Mittlerweile betrachtete Jury den Schnappschuss von Alexandra und Francis Croft. »Wissen Sie, was eine Deckerinnerung ist?«
    »Ja, die Erinnerung an Agatha, die durch die Tür kommt, wie soeben geschehen. Das ist eine Dreckerinnerung, aber eine veritable.«
    »Nicht >Dreck<, >Deck<.«
    »Deck? Ach so. Ist das nicht ein Freudsches Konzept? Die Vorstellung, dass man ein Bild heraufbeschwört, um zu verhindern, dass ein anderes, zu schmerzliches Bild ins Bewusstsein gelangt. Hat es mit den Frauen und dem bedauernswerten Kleinkind zu tun?«
    »Nein, eigentlich nicht.« Eher mit mir. »Hören Sie, ich muss jetzt gehen -«
    »Sie haben den Zeitpunkt genau abgepasst. Agatha steuert soeben aufs Telefon zu.«
    »Gut. Fahren Sie tatsächlich nach Florenz?«
    »Ja, natürlich. Wie Diane schon sagt, Florenz sehen und sterben.«
    »Genau. Bye, bye.«
19
    »Richard! Richard! Geh weg da, Liebling, es ist zu gefährlich!« Die Straße war kaum wiederzuerkennen, fast dem Erdboden gleichgemacht, plattgewalzt, kein einziges Gebäude stand mehr. Überall auf der weiten Fläche aus Beton und Trümmern brannten kleine Feuer, als wären Sterne vom Himmel gestürzt und in Brand geraten. »Richard!«
    Die Stimme seiner Mutter. Er hätte weglaufen sollen. Doch es gab zu viele faszinierende Dinge hier draußen, die Dämmerung war mit winzigen blinkenden Lichtern besteckt. Sie rief immer noch. Er blieb draußen, wühlte im aufgeborstenen Beton herum, durch die Trümmer...
    Seine Mutter rief wieder...
    War jene Straße, jenes Gebäude, jene Stimme eine Deckerinnerung gewesen? Doch wofür? Wie er unter all den Trümmern seine Mutter gefunden hatte - die Erinnerung hätte doch verdeckt werden müssen, oder nicht?
    »Sir?«
    Jury hob den Blick von den Schnappschüssen und der Akte und sah Wiggins an, der gerade ein paar Zeitungen auf seinem Schreibtisch ablegte.
    »Stimmt etwas nicht? Sie sehen irgendwie angesäuselt aus?«
    »Angesäuselt? Was soll denn das heißen? Wo haben Sie überhaupt den ganzen Vormittag gesteckt?«
    »Ich habe diese alten Zeitungen hier gesammelt, um die Sie gebeten hatten.« Wiggins Stirnrunzeln deutete darauf hin, dass er seinen Vorgesetzten nun für vollends weggetreten hielt.
    »Ach, Verzeihung. Das hatte ich ganz vergessen.« Er blätterte wieder in Danny Wus Akte herum, klappte sie zu und tippte sich nachdenklich ans Kinn. »Wie wär's mit Mittagessen? Ich meine damit aber etwas anderes als haufenweise schwarze Kekse, Haferplätzchen, Roggenchips und alle möglichen flüssigen Erfrischungen mit Wassermolcheinlage!« Bei diesen Worten deutete Jury auf ein Glas mit dunkelgrünem Zeug

Weitere Kostenlose Bücher