Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
später.«
Jury warf unter dem Schutz der Blumen einen Blick auf seine Uhr. Bei Smart war sicher um fünf Büroschluß, und er wollte, ehe er ins Ritz ging, auch noch im Starrdust vorbei ... jetzt war es schon nach vier ... Er kalkulierte die Zeit. Mindestens zwanzig Minuten bis zur Elizabeth Street (noch dazu in der Hauptverkehrszeit), also konnte er Racer bestenfalls eine fünfminütige, geschwollene Predigt über den Ruf des Yard und Jurys Anteil daran, diesen in den Schmutz zu ziehen, zugestehen. Der Polizeipräsident wußte natürlich, daß es genau umgekehrt war. Nein, die Zeit langte nicht.
»Schon gut.« Er griff nach den leeren Blättern, unterschrieb in dreifacher Ausfertigung rasch und schwungvoll, so wie es sich mit einem teuren Füller geziemt. »Darf ich jetzt gehen? Die Blumen lassen schon die Köpfe hängen.« Im selben Moment sah er, daß sich Fiona rückwärts zum Barschrank bewegte, wo sie, wie er wußte, die Tür mit ihren hohen Hacken öffnen konnte. Folglich mußte er Racer so lange ablenken, bis er ein Klicken hörte.
Wiggins hatte sich an der Tür zu Fionas Vorzimmer postiert, und Racers Augen wanderten rasch um Jury herum zu ihm hinüber; er mußte das Gesicht wahren und sich einen Grund ausdenken, aus dem er den Sergeant anbrüllen konnte. »Und wohin wollen Sie , verdammt noch mal?«
Jury sah gerade noch ein kupferfarbenes Fell durch die Tür flitzen. Gemessen an seinem Tempo gehörte Cyril dieses Mal nicht in die Ausnüchterungszelle.
»Auf die Toilette. Sir.«
Fiona und er sausten aus dem Zimmer, gefolgt von Jury mit den Blumen. An der Tür drehte er sich um und salutierte. »Stehe jederzeit zur Verfügung, falls Sie beim Ausfüllen Hilfe brauchen.« Er schenkte Racer ein beseligtes Lächeln und schloß die Tür.
Ein dumpfer Aufschlag, etwas splitterte; drinnen flog wieder einmal ein Briefbeschwerer durch die Gegend.
Mit Blumen kam man fast an jedem vorbei, Racer ausgenommen, dachte Jury, als die Empfangsdame des SmartVerlages unsicher nach dem Haustelefon tastete. Sowohl Jurys Erscheinung als auch die seines riesigen Straußes aus Tigerlilien und Rosen hatten sie aus der Fassung gebracht.
Jury blieb nur kurz an ihrem Schreibtisch stehen, zupfte aber eine weiße Rose aus dem Strauß und legte sie ihr aufs Eintragungsbuch. Und schon hatte er den Fuß auf der Treppe. »Ich geh mal rasch nach oben, ja?« Kurzschluß in dem niedlichen Händchen, der Hörer entfiel ihm; sie stützte das Kinn auf. Sie wußte, was wahre Liebe war.
Mavis Crewes jedoch nicht. Als Jury ihren Büro-Regenwald betrat, die Blumen hinter dem Rücken, fuhr sie hoch. »Wie können Sie es wagen -« und schon griff sie zum eigenen Telefon, entweder um die Empfangsdame zur Schnecke zu machen oder um New Scotland Yard zu benachrichtigen.
Doch dann erblickte sie den mächtigen Strauß, den er zusammen mit einer umständlichen Entschuldigung vorbrachte, die alles oder nichts bedeuten konnte. »Und zehn Hefte von Kultouring habe ich auch gelesen.« Er schenkte ihr ein Lächeln, so berauschend wie ein Riff von Charlie Raine.
Das stopfte ihr wirklich den Mund. »Wenn Sie eine Vase haben - ich fülle sie Ihnen.«
»Ich, äh. Ja. Es muß hier eine geben.« Sie griff in einen elfenbeinfarbenen Bücherschrank und holte eine Kristallvase mit eingeschliffenem Jaguar-im-Baum-Motiv heraus. Sie zeigte auf eine Tür. »Waschkabinett«, sagte sie geziert.
Welche Bequemlichkeit im Dschungel, eine eigene Toilette. Denn das Büro war wie ihr Zuhause in dunklem Olivgrün, Schlammbraun und Elfenbein mit orangefarbenen Spritzern gehalten. Diese Farben gingen irgendwie wirr ineinander über, dazu gesellten sich Pflanzen und Dschungelersatz wie beispielsweise die ausgestopfte Kreuzung zwischen einem Kaninchen und einem Affen, die einen dürren Baum hochkletterte. Auf eine Wand hatte irgendein Künstler in Trompe-l’reil-Manier seine Version eines Dschungels gemalt. Eine riesige Katze kam geradewegs auf Jury zu.
Eine weitere Katze, ihre eigene, wie es schien, fauchte ihn heftig an. Zu mehr als Kopfheben und Fauchen reichte es nicht. Sie lag faul zusammengerollt auf dem besten Sitzplatz -einem dunkelgrünen Samtsofa -, prangte in voller Schönheit vor einem Hintergrund aus braunen und elfenbeinfarbenen, orangefarben paspelierten Kissen. Eine Langhaarkatze, vielleicht aus dem Himalaya, jedenfalls ein exotisches Rassetier.
Er füllte die Vase in ihrem Waschkabinett mit Wasser. Dabei fiel ihm der Pub mit Namen »Der blaue Papagei« ein,
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