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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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klappte herunter; Duckworth riß es die Füße vom Hocker. »Trane.«
    »Gestern hat jemand Trane erwähnt. Ich dachte nur ...«
    Totenstille.
    »John Coltrane.« Duckworth sah Jury an, als wäre dieser nicht ganz bei Trost.
    »Oh.«
    »Hat Saxophon gespielt«, sagte Duckworth.
    »Oh.«
    »Ist zwanzig Jahre her.«
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?« fragte Jury, als Wiggins die Tür an der Beifahrerseite zuknallte. »Sie sehen aus, als müßte ich Ihnen einen Druckverband anlegen; gleich platzt Ihnen eine Ader.«
    Wiggins hatte Mühe, die magere weiße Hand vom Mund loszulösen, dann sagte er grimmig: »John Coltrane. John Coltrane ist möglicherweise der beste Saxophonspieler, den es je gegeben hat. Hätten Sie doch bloß mich gefragt. Ich wäre am liebsten im Boden versunken -« Er blickte Jury an, der sich mit einem kleinen Apparat abmühte. »Was haben Sie da?«
    »Einen Walkman.« Jury legte eine Kassette ein und setzte die Kopfhörer auf. »Recherchen.«
    Als das Auto losbrauste, gab Wiggins eine Art Todesröcheln von sich, und Jury hatte in dieser Woche zum erstenmal etwas zu lachen.
    Abby war wütend. Wer auch immer es war - wenn er sich einbildete, sie würde hier draußen im Moor sterben, so hatte er sich in den Finger geschnitten.
    Ihre Stiefel waren voller Schnee und ihre Socken klitschnaß, aber lieber ließ sie sich die Zehen abfrieren, als daß sie sich durch das quatschende Geräusch verriet, das ihre Stiefel beim Ausziehen machen würden. Viel durfte sie sich in ihrem Versteck hinter der niedrigen Mauer des Schießstandes sowieso nicht bewegen.
    Ein Wunder, daß Tim neben ihr sich so ruhig verhielt. Natürlich lag Tim sonst auch viel in der Scheune herum, aber er war wachsam, blickte immer wieder nach rechts und links und dann wieder zu ihr.
    Abby verstand nichts von Gewehren, doch sie war ein paarmal mit Major Poges zu diesem Schießstand für Moorhühner gewandert und hatte zugesehen, wie er hochgekraxelt war, angelegt, gezielt und einen ganzen Schwarm Moorhühner knapp einen Meter vor seiner Nase verfehlt hatte.
    Mehr hatte sie bis zu diesem Abend nicht über Gewehre gewußt. Aber der Knall des Schusses, der sie um Haaresbreite getroffen hätte und von der Mauer abgeprallt war, den würde sie so schnell nicht vergessen. Wie lange war das jetzt her? Wohl erst ein paar Minuten, denn als sie den Zauntritt erreichte, hatte es zu dunkeln begonnen. Der Schuß war gefallen, als sie gerade über den Zaun klettern wollte, und sie hatte sich fallen lassen und überlegt, was sie jetzt tun sollte: entweder zum Gehölz oder zum Schießstand rennen. Da sie wußte, wie ihre Tante umgekommen war, brauchte sie nicht lange zu überlegen: das Gehölz fiel aus.
    Alle glaubten, sie wüßte nicht, daß ihre Tante erschossen worden war. Kamen die nicht auf die Idee, Kinder könnten an Türen und Fenstern lauschen? Vielleicht wußte es der Polizist von Scotland Yard, denn der schien sowieso gut über sie Bescheid zu wissen. Abby hatte seine Visitenkarte in der Tasche ihres Pullovers bei sich.
    Wo war Stranger? Wo? Sie wußte, daß er noch lebte; es war nur dieser eine Schuß gefallen.
    Abby zog an ihrem feuchten Haar, griff mit beiden Händen hinein und riß daran, damit ihre Gedanken nicht aufloderten wie Feuer im Hochofen. Sie kam sich rotglühend vor. Ihr Leben lang hatte sie vor Wut gekocht, und es gab keinen Grund, das jetzt zu ändern.
    Vorsichtig streckte sie die Hand hinter dem Schießstand hervor, griff eine Handvoll Schnee und rieb sich damit das Gesicht ab, um die Blutzirkulation in Gang zu halten. Der Major hatte ihr mit Vorliebe Vorträge über das »Überleben in der Wildnis« gehalten, weil er wußte, daß sie gern übers Moor strolchte. Der brauchte sich ja auch um sein Überleben nicht zu sorgen, dachte sie. Der hatte immer drei Butterbrote und einen Flachmann mit Whisky dabei, ehe er überhaupt einen Fuß vor die Tür setzt.
    Kein Laut war zu hören, nichts als das Wispern des Windes in Binsen und Farnkraut.
    Ihr Regenmantel war gelb. Ausgerechnet gelb. Daran war Mrs. Braithwaite schuld, die darauf bestand, daß sie auf dem Schulweg etwas Helles anhatte, damit Autos, die um die Kurven bogen, sie auch sahen. Sie hatte aufbegehrt; die Straßen hier waren so schmal, daß Autos sowieso nicht schnell fahren konnten, und ihr wäre ein schwarzer Regenmantel lieber gewesen. Der hier war wie die Reflektoren an Ethels Fahrrad. Der Mond war wie ein Scheinwerfer und sie wie eine Sternschnuppe, wenn sie es in

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