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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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was?«
    »Ich? Nein.«
    Jury lehnte sich zurück. »Seelische Erpressung; bei dem schuldigen Pfarrer in Der scharlachrote Buchstabe hat das gewirkt. Bei Healey mit Sicherheit nicht.«
    »Es gibt andere Mittel und Wege, jemand nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Und wenn sie es der Ehefrau erzählt hätte, wären aus der Pfeife die Trompeten von Jericho geworden.«
    »Und dann bringt sie ihn um? Nell Healey wußte, was er für ein Typ war. Auf andere muß er unglaublich glatt, unglaublich überzeugend gewirkt haben. Aber wegen seiner Liebschaften hätte sie ihn nie umgebracht.«
    »Und wenn sie nun herausgefunden hätte, daß Abby seine Tochter ist -?«
    Jury schüttelte den Kopf.
    »Warum dann?« Melrose suchte mit der Hand unter dem Armaturenbrett.
    »Langsam sieht es so aus, als - was zum Teufel machen Sie da?«
    »Hat dieses Auto kein Tapedeck?«
    Jury schloß die Augen. »Jesus von Nazareth.«
    »Nein, nicht die. Ellen hat eine Aufnahme von >Rock ’n’ Roll Animal< aufgetrieben. Aber Malcolms Stereogerät ist nicht in Ordnung.«
    Jury langte auf den Rücksitz und warf Melrose seinen Walkman zu. »Da. Ich fahre zu den Citrines.«
    Melrose schlüpfte aus dem Auto und schloß die Tür auf seiner Seite. Er öffnete den Walkman, nahm ein Band heraus und musterte es. »Was ist denn das?«
    Jury nahm es ihm weg. »Coltrane. Auf Wiedersehen.« Er legte den Gang ein und fuhr langsam an.
    Melrose lief nebenher, die Hand am Fensterrahmen. »Sie hätten nicht zufällig die Kopfhörer dazu?«
    Jury bremste, daß Melrose fast hinfiel. »Da!« Er warf sie aus dem Fenster, das Auto fuhr an, hielt wieder, und Jury rief zurück: »Haben Sie Vivian angerufen?«
    »Vivian? Selbstverständlich habe ich Vivian angerufen.«
    Als der Volvo sich wieder in Bewegung setzte, stöpselte Melrose die Kopfhörer ein und ging zurück ins Haus, um Vivian anzurufen.
    Im grossen Rittersaal brannte Feuer im Kamin und im Kohlebecken. Doch nur in ihrer Nähe wirkte der Raum warm, der Rest war immer noch kalt; es war, als ob man aus der Sonnenwärme in den Schatten träte. Jury stand jetzt im Schatten des Torbogens.
    Charles und Rena Citrine saßen, jeder an einem Ende des langen Tisches, auf den mächtigen Stühlen und sahen aus, als hätten sie sich gestritten. Und doch wirkten sie mit ihren gedämpften Stimmen, der Art, wie sie die Anwesenheit Jurys ignorierten, eher wie Verschwörer denn als Gegner. Vielleicht bildete er sich das alles nur ein, aber als er sie so erblickte, sah er ihre Beziehung in einem ganz anderen Licht.
    Bei seinem Gruß fuhren ihre Köpfe gleichzeitig herum. Und da stand Charles Citrine auch schon und ließ die ganze Feindseligkeit durchblicken, die er sich in seiner Reserviertheit jemals gestatten würde.
    Man mußte sich schon gut in der Hand haben, um Jurys Auftauchen lediglich mit: »Was wollen Sie hier?« zu quittieren.
    »Ich möchte Ihrer Tochter helfen.«
    Citrine ließ sich wortlos auf seinen Stuhl sinken.
    Seine Schwester blickte von ihm zu Jury. »Und das wollen wir Ihrer Meinung nach nicht?« Ihr Lächeln wirkte etwas spöttisch.
    »Woher soll ich das so genau wissen?«
    Citrine warf ihm einen giftigen Blick zu.
    »Charles ...« Rena beugte sich vor.
    Rena Citrine als Friedensstifterin, das war neu. Und das machte sie gewiß nicht ihrem Bruder zuliebe, den sie oft genug mit >der heilige Charles< tituliert hatte. Doch die Lage war so ernst, daß der Groll, weil er sie in jenen Teil des Hauses abgeschoben hatte, nicht mehr zählte.
    Sie deutete auf den schweren Nußbaumstuhl unweit des Kohlebeckens und sagte: »Sie müssen nicht stehen, Superintendent.« Dann griff sie nach der Brandykaraffe, deren Inhalt sie mit ihrem Bruder geteilt hatte, und lud ihn ein, ihnen Gesellschaft zu leisten. Die beiden tranken aus spitz zulaufenden Kristallgläsern. Die schlichte Karaffe sah eher nach altem Preßglas aus. Sie schob sie Charles über den Tisch zu, und der schenkte sich einen Fingerbreit ein. Die Falten um seinen Mund hatten sich seit ihrer letzten Begegnung tiefer eingekerbt, glichen den scharfen Rillen des Glases in seiner Hand.
    Jury sagte: »Ann Denholme hat, ehe sie sich ins Keighley-Moor aufmachte, einen Anruf bekommen. Zweifelsohne von jemandem, den sie kannte, denn die Haushälterin sagt aus, daß Miss Denholme kaum etwas gesagt habe. Es könnte eine Benachrichtigung des Milchmanns wegen einer Lieferung gewesen sein. Es könnte auch Mr. Nelligan wegen eines verirrten Schafes gewesen sein. Oder irgend jemand

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