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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Kragen ihres schwarzen Pullovers und zog sie an sich. Als er sie küßte - feuriger, als er je geküßt hatte -, gab sie einen erstickten Laut von sich. Erdrosselte er sie etwa mit dem Kragen? Er küßte unbeirrt weiter, ließ jedoch ihren Pullover los und faßte statt dessen nach ihrem Hinterkopf; ihr Haar war trotz der wirren Lockenpracht weicher, als es aussah. Nachdem sie ein Weilchen mit den Fäusten auf seinen dicken Pullover eingetrommelt hatte, erlahmte sie. Der Teil seines Gehirns, der noch mit Blut versorgt wurde (das übrige verteilte sich in die verschiedensten Richtungen), dachte, daß sie vielleicht tot war. Erwürgt. Er küßte weiter.
    Aber irgendwann hatte er sie offenbar doch losgelassen, denn sie trat einen Schritt zurück, rang nach Luft und brummelte etwas. Er sah das alles wie durch ein feines, flirrendes Gespinst, wie durch einen sprühenden, klaren Wasserfall. Oder war das schon der graue Star?
    Ellen wankte wie beschwipst zu ihrer BMW und legte sich immer noch brummelnd über den Sattel.
    »Müssen Sie sich übergeben?« fragte Melrose. »Haben wir zu früh aufgehört?«
    Sie kam wieder hoch und fuhr herum. » Nein! Meine Güte, so hat mich noch keiner geküßt -«
    »Das kommt davon, wenn man sich auf Männer aus Manhattan fixiert. Allesamt Trottel, die ihr Leben lang dem flüchtigen Schatten des Erfolges nachjagen statt den Frauen -«
    Sie faßte sich an den Kopf. »Seien Sie still, seien Sie still. Das sollte doch kein Kompliment sein. Meine Güte, fast vergewaltigt, und das von einem Grafen.«
    »Ist das Ihr Problem, das >fast    Ihre Hände fielen herab. Sie sah ihn mit großen Augen an. »Wie eingebildet! Wie halten es Frauen bloß in Ihrer Nähe aus? Warum reißen sie sich nicht die Haare aus oder so was?«
    Melrose mußte an Vivian denken, die morgen abfuhr. Die hatte keine Zeit mit Männern aus Manhattan verplempert. Nur mit Italienern, dachte er wehmütig. Er geriet in Untiefen, wußte nicht, wie ihm geschah. Im Kopfhörer hörte er, wie sich Caroline im Schlafzimmer die Pulsadern aufgeschnitten hatte, und er hätte am liebsten geheult. Er riß sich zusammen, der Fieberanfall war vorbei. Und da merkte er, daß Ellen ihn ehrlich besorgt ansah.
    »Ellen, Sie sind zu klug, zu jung und zu scharf darauf, eine neue Bronte zu werden. Nichts wie weg von hier, sonst sterben Sie noch an Ihren Illusionen.« Er rückte die Kopfhörer zurecht. »Lassen Sie uns nach Berlin fahren.«
    »Keine Ahnung, wovon Sie reden.« Sie hörte sich eher verzagt als abweisend an. »Ich muß das Manuskript pünktlich abliefern.«
    Melrose hob die Schultern. »Dann fahren wir eben nach New York und liefern. Und jetzt seien Sie still. Ich habe bei Caroline den Faden verloren.« Und er drückte sich die Kopfhörer fester auf die Ohren.
    Ellen ging gelassen zu ihrer BMW zurück und schraubte die Radbolzen fest.
    Die Beamtin führte ihn in einen holzgetäfelten Raum, der wie die Bibliothek eines Privathauses wirkte, wenn man davon absah, daß darin nur ein langer Tisch mit einem Stuhl an jedem Ende stand. Jury riß den Blick von dem vergitterten Fenster los; er hatte hinaus in den Himmel gestarrt, der nur um ein weniges heller war als das Zimmer selber. Schnee lag in der Luft. Keine brennenden Holzscheite, keine Orientteppiche lenkten von der fleckenlosen Tünche ab. Der Raum war so sauber wie Räume sind, in denen sich so gut wie niemand aufhält. Jury schloß die Augen und machte sie wieder auf; wie ein Kind enttäuscht, daß sich nichts verändert hatte. Daß an Stelle dieses Zimmers kein hoher Baum, kein matter, schräger Sonnenstrahl, kein verfallendes Tor getreten war.
    Nell Healey blickte ihn an, sie wartete. Keiner von beiden setzte sich. Das ganze Zimmer lag zwischen ihnen.
    »Nett von Ihnen, daß Sie gekommen sind.«
    Ihre Stimme klang dünn, kläglich. Sie hustete ein wenig.
    Er verwarf die gebräuchlichen Einleitungen - hoffentlich bekommen Sie keine Erkältung; ich war gerade bei Ihrem Vater, Ihrer Tante; behandelt man Sie hier gut? Vielleicht war ihr Schweigen ansteckend. Allmählich begriff er die Sinnlosigkeit solcher Worte. Und so sagte er: »Ich habe mich mit Commander Macalvie unterhalten. Sie erinnern sich doch an ihn. Es führt wohl kein Weg daran vorbei, daß er als Zeuge aussagt.«
    Ist das alles? besagte ihr verhaltenes, etwas verächtliches Lächeln. »Da der Bevollmächtigte von Lloyd’s und auch der verantwortliche Superintendent tot sind, heißt das, er ist der einzige, der noch von dem

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