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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sind.« Der Mann nickte nur und wartete. »So setzen Sie sich doch. Möchten Sie etwas trinken?«
    »Für mich nur ein kleines Guinness.«
    Jury beobachtete Owen Holt, während er auf das Bier wartete. Der musterte den Raum und die ungewohnte Umgebung und betrachtete das alles mit der Naivität eines Menschen, der nur selten aus dem Haus kommt. Jury wußte auch nicht warum, aber er erinnerte ihn an eine schwerfällige Märchengestalt: den verläßlichen Holzfäller etwa oder den gütigen, aber vollkommen phantasielosen Mann, der mit seiner Frau ein Findelkind aufnimmt. Wurden Kinder im Märchen nicht häufig verstoßen?
    Als Jury die Biere abstellte, sagte er: »Hoffentlich war Ihre Frau nicht zu böse, daß ich Sie hierhergelockt habe?«
    »Weiß sie doch nicht. Hab nur gesagt, ich bin in den >Schwarzen Busch<, einen Kumpel treffen.« Er trank langsam einen großen Schluck, wischte sich mit der Hand den Mund und beugte sich vor. »Es geht wohl um das Geld, was?«
    »Ja und nein. Ich wundere mich nur, daß Sie nicht verbitterter sind, was die Citrines angeht. Kam es Ihnen nicht anmaßend vor, daß sie den Entschluß, nicht zu zahlen, allein getroffen haben? Schließlich war Ihr Sohn auch in Gefahr.«
    Holt seufzte, griff nach dem Glas und stellte es wieder hin. »Die Polizei ist zu uns nach Hause gekommen und hat uns gesagt, was passiert ist. Und daß es nicht viel nutzt, wenn man blecht. Der Rat war sowieso überflüssig. Als ob wir soviel Geld gehabt hätten.«
    »Und runde fünf Wochen später hatten Sie doch etwas«, sagte Jury trocken. »Haben Sie sich nicht gefragt, was Toby in London gewollt hat?«
    »Sicher.« Holt umklammerte das Glas und wich Jurys Blick aus.
    Der beugte sich vor. »Mr. Holt, Sie müssen sich doch auch gefragt haben, warum sich Toby fünf volle Wochen nicht bei Ihnen gemeldet hat.« Er wartete. Holt ließ sein Glas langsam los und legte die Hände in den Schoß. »Sind Sie ganz sicher, daß es sich um Tobys Leiche gehandelt hat?«
    »Mit einem haben Sie recht. Wieso hat Toby nicht wenigstens versucht anzurufen? Kein einziges Wort. Kein Wort. Kein Wort.«
    Er überhörte die letzte Frage, sah weiter auf seine Hände und knetete die Gelenke, als ob sie schmerzten.
    »Es gibt viele vermißte Kinder, die nie gefunden werden, Mr. Holt. Die meisten, leider. Jeder Tag, jede Stunde verringert die Chance, sie zu finden. Vielleicht haben Sie gedacht, auch Toby würde nie gefunden werden.«
    Endlich blickte Owen Holt auf und sagte mit einem flüchtigen Lächeln: »Sie sind wirklich helle. Es war nicht Toby. Aber wenn Sie glauben, es war von wegen dem Geld, dann sind Sie auf dem Holzweg.«
    »Warum dann, Mr. Holt?«
    »Wegen Alice.« Sein Blick kehrte zu dem kleinen, halb ausgetrunkenen Bier zurück. »Wo die Ärmste doch so gehofft hat. Sieht so aus, als hätte sie den Jungen nicht gemocht, ist aber nicht wahr. Hat Tag für Tag das Küchenfenster geputzt.
    Tat so, als ob sie putzt, hat aber immer nur den Weg runtergeguckt, wo Toby langkommen mußte. Und ich hab in der Küche gehockt und mitgezählt. Sechsmal hat sie dieselbe kleine Scheibe hintereinander geputzt.« Er wollte nicht aufhören mit dem Kopf schütteln. »Acht Jahre ist das her. Ich glaub, es war richtig so.«
    »Es tut mir sehr leid.«
    Owen Holt holte Luft und blies dabei die Backen auf wie der Nordwind im Märchen. »Und was passiert jetzt mit mir?«
    »Nichts.«
    Holt hob überrascht die Augenbrauen. »Nichts?«
    »Warum sollte es?«
    Neuerliches Schweigen. »Dann ist er wohl tot.«
    Der ansteigende Tonfall machte aus dem Satz eine Frage. Dennis Dench fiel Jury ein, und das Grab in Cornwall. Was sollte er dem Mann sagen? Owen Holt wandte den Kopf ab und betrachtete das Fenster des >Großen Schweigens< mit seinen blinden Scheiben.
    Der Fahrer des Taxis, Major Poges und Melrose versuchten zu dritt, den Überseekoffer oben auf das Auto zu hieven, denn in den Kofferraum oder auf die Kofferraumklappe paßte er beim besten Willen nicht.
    Alle schwitzten, nur die Principessa Rosetta Viacinni di Belamante stand im Chanel-Kostüm daneben und machte ihrem Titel Ehre. Zugleich aber lieferte sie Ellen einen wehmütigen Kommentar zu jedem der verblichenen Aufkleber auf dem Koffer, lauter Andenken an ihre Reisen allein oder mit dem Principe (»Eskapaden«, wie sie es zu nennen beliebte) in mehreren Kontinenten. Ach, Saigon, ach, Kenia, ach, Siena, ach, Orlando.
    Ellen machte große Augen. »Sie meinen Disneyworld, nicht Virginia Woolf, nehme ich

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