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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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alle gern wissen. Meine Tochter spricht nicht darüber. Wir ... stehen uns nicht besonders nah. Ich glaube, sie kommt mit meiner Schwester besser aus als mit mir. Wenn Sie mit Irene reden möchten -« er hob die Schultern -, »von mir aus jederzeit.«
    »Wo finde ich sie?«
    »Im Turm. Meine Schwester ist keineswegs eine Exzentrikerin, sondern eher die Summe all dessen, was man ihr angetan hat. Dazu gehört auch, daß ich sie in den Turm zu den Fledermäusen verbannt habe.« Citrine lächelte unfroh.
    Jurys eigenes Lächeln war erst halb fertig und blieb in der Luft hängen wie die Frostigkeit im Raum. »Und Ihre Tochter?«
    »Ich weiß nicht.« Er musterte Jury. »In meinen Augen wäre es keine gute Idee, wenn Sie sich mit ihr unterhielten. Und ich sollte mich lieber auch nicht mit Ihnen unterhalten; ihren Anwälten wird das zweifelsohne nicht gefallen. Die drehen bei diesem Fall schier durch, wie Sie sich unschwer denken können. Nell ist es« - er verstummte und versuchte, die erloschene Pfeife wieder in Gang zu bringen »- einerlei.«
    Nichts an Citrines Miene deutete darauf hin, daß er Hintergedanken hatte. Dennoch konnte er sich nur irren, was den Gemütszustand seiner Tochter anging. Es mochte Situationen geben, in denen man sich einfach aufgab, an der Zukunft verzweifelte. Aber der Grund dafür war doch, daß es einen ganz und gar nicht kaltließ, wenn etwas falsch lief, das einst irgendwie richtig gewesen war.
    Aber welchen Anlaß hatte er, Charles Citrines Feststellung in Frage zu stellen? »Sie zeigt keinerlei Reue?«
    Citrine griff nach dem Feuerhaken und stocherte in den Holzscheiten, dann blickte er auf. »Nicht die Spur.« Er schüttelte leicht verwundert den Kopf. »Roger war ein feiner Mensch, herzensgut. Ich hatte große Hoffnungen auf ihn gesetzt, als er Nell heiratete .«
    Man sollte meinen, ein Vater hätte es andersherum ausgedrückt: »als Nell Roger heiratete« oder zumindest: »als sie heirateten«. So wie er es formulierte, hörte sich Nell Citrine nach einer ziemlich schlechten Partie an. Dann schwieg er und starrte auf die Scheite, die nicht brennen wollten. Jury hakte nach: »Große Hoffnungen?«
    Citrine hielt den Feuerhaken ganz in Gedanken wie einen Spazier- oder Rohrstock. Zwei, drei blaue Flämmchen züngelten an den Holzscheiten hoch. »Daß er ihr Halt geben würde.«
    Ihr Halt geben? Jury mußte lächeln. »Wenn einer keinen äußeren >Halt< zu brauchen scheint, dann Ihre Tochter. Soviel Selbstbeherrschung habe ich meiner Lebtage noch nicht gesehen.«
    Citrine lehnte den Feuerhaken an den Kamin. »Teilnahmslosigkeit wirkt häufig wie Selbstbeherrschung.«
    Das Bild, welches jetzt Strich um Strich - oder war es Anspielung um Anspielung - von Nell Healey gezeichnet wurde, gefiel Jury nicht. Unbußfertig. Teilnahmslos. Labil. »Das klingt, als wäre sie schwer gestört.«
    Ein kurzes, bellendes Lachen. »Lieber Gott, hoffentlich nicht. Nein. Kennen Sie sich mit Melancholie aus, Superintendent?«
    Jury dachte an seine eigene momentane Gemütsverfassung. »Nicht besonders gut. Es sei denn als chronische Depression. Und das ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, daß sie offenbar keine Beziehung zu ihrer Umwelt hat?«
    »Keine Ahnung. Aber ich glaube nicht, daß man es mit Depression erklären kann.«
    »Und ihre Mutter?«
    »Helen war recht - lebenslustig, realitätsnah. Eine zauberhafte Frau.« Bedrückt wandte er den Blick ab.
    »Die Situation muß sehr schwierig für Sie sein.« Die Art jedoch, wie sich Citrine ungerührt zu einer Situation äußerte, die Jury selbst als entsetzlich empfand, verwunderte ihn. Wie schwer traf Citrine das Ganze wirklich? Im spärlichen Feuerschein sah Jury, daß eine kleine Spinne zwischen den Klauenfüßen und dem Sitz hing und ihr Netz spann.
    Citrine nickte und klopfte seine Pfeife auf dem Kamingitter aus. »Ich habe Nell sehr gern, muß jedoch zugeben, daß die Sache über mein Begriffsvermögen geht. Ich habe keine Ahnung, was sie fühlt und was der Grund für ihr destruktives Schweigen ist.« Er lehnte sich wieder zurück und fummelte an seiner Pfeife herum. Wieso gaben sich Männer mit Pfeifen ab? Diente die Aufmerksamkeit, die das Pfeiferauchen erforderte, als Sicherheitsventil, als Schutz vor den Ansprüchen anderer Menschen? Jetzt sagte Citrine mit einem entwaffnenden Lächeln, einem Lächeln, mit dem er sich wahrscheinlich bei vielen Menschen einschmeichelte: »Eigentlich sollte ich überhaupt nicht mit Ihnen reden.«
    »Unter den

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