Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht
Stücke reißen. Melrose unterdrückte ein Lächeln. Sie führte sich auf, als würde sie ihre Kataloge in Zukunft nur noch ansehen können, ohne gleich alles aufzukaufen. Es war fast so, wie wenn Marshall Trueblood sich die neueste ArmaniKollektion fortan an die Wände heften müßte, anstatt sie sich selbst anzulegen.
»Adam und zwei, drei weitere Leute kommen zum Abendessen.« Sie hatte den Kopf immer noch über ihr Hochglanzmagazin gebeugt. Schließlich warf sie es hin, und es glitt vom Tisch. Sie machte sich nicht die Mühe, es aufzuheben. Dazu waren andere da. »Cocktails um sieben, Dinner um acht.« Sie wirbelte herum, ging zur Tür und drehte sich da noch einmal um: »Eine Party für Alex.«
Melrose starrte auf die Tür, Genevieve hatte sie fast zugeknallt.
Alex. Alles drehte sich nur um Alex. Unsinnig, Adam abzumurksen; er war sowieso ein alter Mann. Um an Adams Millionen zu kommen, mußte man die Hürde Alex nehmen.
Melrose sah auf das Scafell-Gemälde. Es wäre etwa genauso leicht, wie über die Hürde Broad Stand nach Mickledore zu gelangen.
»Ich sehe nicht ein, warum Hawkes uns abholen soll«, sagte Adam. Diese Klage wiederholte er in allen möglichen Varianten, während er erfolglos versuchte, seine schwarze Krawatte zu binden.
»Hören Sie auf zu quengeln.« Lady Cray saß in dem Sessel neben dem Fenster, in einem Abendkleid, das diese merkwürdige Farbe von Waterford-Kristall hatte, ein tiefes Graublau, ein beinahe unsichtbarer Farbton. Das Kleid war schlicht und gerade geschnitten. Als einziges Schmuckstück trug sie einen quadratisch geschliffenen Diamanten, der fast dieselbe Farbe wie das Kleid hatte. Das Ensemble ließ ihre funkelnden Augen mit den großen Pupillen noch leuchtender erscheinen. Mit den Fingern trommelte sie auf ihre Abendtasche, die natürlich auch zu dem Kleid paßte. Sie trommelte und trommelte, und es hätte wie ein richtiger Marsch geklungen, wenn das seidige Material das Klopfen nicht gedämpft hätte.
»Ich quengele ja gar nicht. Carstairs liefern genau um diese Zeit«, Adam sah auf seine Nachttischuhr, »und von hier aus fahren sie genau an Tarn House vorbei nach Boone. Es wäre ein Kinderspiel, über die Laderampe reinzukommen, während der Fahrer im Haus ist.« Hier nickte er angestrengt in Richtung Küche. »Sie müssen nicht mal schieben. Das Ding hier läuft elektrisch, schon vergessen?« Er klopfte liebevoll auf die Lehne des Rollstuhls.
»Und wie gedenken Sie, den Lieferwagen auf der Straße vor dem Haus zum Halten zu bringen?«
Er rückte seine Krawatte zurecht. »Ach, dann schlagen wir eben Krach«, sagte er ungeduldig.
»Krach schlagen? Wie denn? Salatköpfe durch die Latten schmeißen? Kohlköpfe gegen das Fahrerhäuschen donnern? Hat er einen Anhänger, dieser Lieferwagen? Das wäre doch eine viel größere Herausforderung -«
»Halten Sie den Mund und helfen Sie mir mit dieser verdammten Krawatte.«
»Ich ziehe es vor, wie geplant in einem Daimler mit Chauffeur zu fahren.« Ihre Finger klopften wieder auf die Tasche.
»Angsthase.«
»Adam, >Krach zu schlagen< entbehrt jeglicher Raffinesse. Ich habe von Ihrem Ausflug in dem Wäschereiwagen gehört. Den hatten Sie offensichtlich auch bis zu seinem eher absurden Ende durchgeplant.«
Er rollte herum, um sie anzusehen, und gab seine sehr persönliche Variante eines Kicherns von sich. »Er hat mich aber nach Boone gebracht, oder etwa nicht? In den Old Contemptibles auch schon.« Er rollte wieder zurück, um erneut das Krawattenproblem anzugehen.
»Sie sind kein Gefangener. Sie könnten einfach durch die Haustür gehen.«
»Wer will das schon? Warum soll Makings, das Fäßchen, sehen, wohin ich gehe. In dem schwarzen Kleid und mit dem Strickzeug erinnert sie mich an die Muttchen, die in Herz der Finsternis die Tür bewachen. Die beiden ergäben ein gutes Team: Kojak und Kurtz. Na, das war ein Abenteuer für Sie gewesen. Würden Sie nicht gern in einem kleinen Kahn den Amazonas hinunterfahren, so weit Sie könnten, und mit Kannibalen kämpfen?«
»Nein. Ich kann in den Swan gehen und mich mit den Touristen um mein Abendessen balgen.«
»Von Ihnen hätte ich eine größere Begeisterung für Abenteuer erwartet. Ist der jetzt in Ordnung so, dieser dämliche Schlips?«
Er saß schief. Ihr war es einerlei. Sie lächelte ihn im Spiegel an. »Ach, Sie meinen, ich fände keinen Geschmack daran?« Sie machte ihre Tasche auf, zog etwas heraus, das im Spiegel wie Papiertaschentücher aussah, und warf es ihm
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