Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht
geschickt an, bewegte sich von Francis Fellowes zum alten Adam und tauchte dann »zufällig« neben Melrose auf. Er hätte es nicht als »geschickt« bezeichnet, wenn ihm nicht aufgefallen wäre, daß Lady Cray Dr. Viners Bewegungen verfolgt hätte. Und seine. Obwohl es so aussah, als höre sie Madeline Galloway zu, beobachtete sie sie, während sie sich mit einem schwarzen Feuerzeug eine Zigarette anzündete.
»Mr. Plant, können wir uns einen Moment unterhalten?« Helen Viner hatte ein zauberhaftes Lächeln.
Er wäre ihr gern behilflich gewesen, stellte jedoch fest, daß sie durchaus imstande war, das Gespräch selbst zu beginnen. Sie schlug sogar vor, ein wenig spazierenzugehen. »Sie brauchen eine Jacke«, sagte er.
»Ich brauche nichts.«
Er fragte sich, ob sie immer so knapp und vieldeutig sprach. Vielleicht hatte ihre Arbeit als Psychiaterin, die ständige Bereitschaft, zuzuhören, dazu geführt, daß sie ihre eigene Sprechweise verknappte.
Es gab keine Veranda, nur ein paar Stufen, die von der Tür ins nasse Gras führten. Ihre Füße verschwanden in dem Bodennebel, als sie über den unkrautüberwucherten Pfad zu den Hundezwingern gingen.
»Es ist wegen Alex«, sagte sie.
»Aha? Was ist mit ihm? Das mit dem Selbstmord seiner Mutter ist tragisch, aber er geht bemerkenswert gut damit um.«
»Ja. Vielleicht zu gut. Er ist erst sechzehn. Ich bin sicher, er ist überzeugt, daß seine Mutter ermordet wurde.«
Melrose gab die angebrachten Laute des Erstaunens von sich.
»Oh, aber Sie wissen doch bestimmt, daß die Polizei hier war und Fragen gestellt hat. Wie dem auch sei, für Alex ist es besonders schrecklich. Wegen seines Vaters. Sein Vater hat sich auch umgebracht.« Er nickte und sie fragte: »Wußten Sie das?«
»Francis Fellowes hat es mir erzählt.«
Sie kuschelte sich enger in ihren Pullover. »O je, der ist ja ein schlimmeres Klatschmaul als die Stammgäste im Old Contemptibles.«
Melrose lachte. »Na, er ist ja schließlich auch Stammgast dort. Aber wieso Klatsch? Graham Holdsworth hat sich doch wirklich das Leben genommen - oder nicht?« Als sie sich den Zwingern näherten, fingen die Hunde verschlafen an zu bellen. Dann war alles still. »Sehen Sie, ich verstehe nicht ganz, warum Sie mit mir reden. Ich glaube nicht, daß der Junge mit mir ein vertrauliches Gespräch über seine Mum führen will; ich habe ihn erst heute nachmittag kennengelernt.«
»Nein, das stimmt nicht«, sagte sie so ruhig, als machte sie eine Äußerung zum Wetter.
»Wie bitte?« Wenn Alex es ihr erzählt hatte, wäre es Melrose lieb gewesen, wenn er ihm Bescheid gesagt hätte. Sie lehnten am Tor zum Innenhof. Melrose klappte seinen Jackettkragen hoch und fragte sich zitternd, was zum Teufel hier vorging. Aber er sagte nichts.
»Als ich ihn heute morgen im Castle Howe getroffen habe, sagte er, er hätte zuerst einmal Adam sehen wollen. Aber er erwähnte, daß es in Tarn House einen neuen >Bibliothekar< gebe.« Sie lächelte und zeigte dabei ihre blitzendweißen Zähne. »Und außerdem haben Sie seine Mutter gerade als >Mum< bezeichnet. Normalerweise hätten Sie >Mutter< oder >Mummy< gesagt. Alex sagt nur >Mum<, um seine Großeltern zu ärgern, denn es ist ja wohl eher ein Unterschichtswort.«
»Sie hätten Detektivin werden sollen.«
»Oder Psychiaterin. Da gibt es einige Übereinstimmungen. Einerlei, Alex hat mir einen Traum erzählt, den er immer wieder träumt.« Sie zog wieder an ihrem Pullover und bewegte sich näher auf ihn zu. »Er sagte, er habe einem >Freund< von dem Traum erzählt. Da seine einzigen Freunde hier Millie und Adam sind, er die beiden mir gegenüber aber problemlos erwähnt hätte, vermute ich, daß Sie es waren.«
Melrose sah keinen Sinn, es abzustreiten. Er zog sein Jackett aus und hängte es ihr über die Schultern. Über diese Geste schien sie so überrascht, daß er sich fragte, wann ihr zum letztenmal eine solche Aufmerksamkeit zuteil geworden war. »Reden Sie weiter.«
»Sie werden noch erfrieren -«
»Erzählen Sie weiter über Alex.« Als er sah, wie sie die Jackettärmel um sich zog, bedauerte er, daß seine Arme nicht mehr darin waren.
»Es ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Diese düstere Symbolik. Dieses Bild der Herzdame - an die er >festgeklebt< zu sein schien. Gut, man kann sich die Träume anderer nicht aneignen oder dem Träumenden erzählen, was sie bedeuten, trotzdem ...« Sie schwieg.
»Sie meinen doch nicht, daß Alex suizidgefährdet ist?«
Sie hatte die
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