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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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kann.«
    »Hab ich doch. Bei Michael’s. Freitag um zwei.« Danny hob in einer etwas affektierten Geste die Hand, um seine dunkel getönte Brille zurechtzurücken, und schlenderte zurück in den Nebel.
     

 
13
     
    Melissa, Bobby Mackenzies Assistentin – er hatte deren vier –, war gerade wieder einmal dabei, ihr Gesicht vor einem kleinen Stapel von – wie sich herausstellte – Nichtbestsellern eines gewissen Jordan Strutts zu bearbeiten, einem Buch, für das Bobby sich zusammen mit Peter Genero im vergangenen Juni stark gemacht hatte. »Stark gemacht« hieß, sie hatten mehr darüber geredet und es ins Gespräch gebracht, als sich tatsächlich »dahinter gestellt«. »Sich dahinter stellen« hätte echtes Engagement bedeutet, wofür Bobby das gesamte Arsenal aus Verkaufsförderung, Werbung und Vertrieb auffahren konnte, um ein Buch wie eine Rakete zu starten. Diese Segnung war Strutts Buch nicht zuteil geworden.
    Als Sally am Vorzimmer vorbeikam, stand Melissa rasch auf und rannte an die Tür und in den mit weichem Teppichboden ausgelegten Korridor, um sie noch einmal zurückzurufen.
    »Ich muss zur Endanprobe zu Bloomingdale’s, und so wie sich das anhört«– ruckartig warf sie den Kopf in Richtung des Chefzimmers –»brauchen die da drin noch ewig. Bist du sehr beschäftigt?«
    Sally seufzte. Sie war immer beschäftigt. Das brachte ihr glückliches Schicksal als rechte Hand eines Lektors mit sich, der weit mehr als seinen Job tat. Da Tom Kidd mehr Bücher annahm, als er eigentlich innerhalb der Grenzen eines gewöhnlichen Arbeitstages schaffen konnte, änderte er eben einfach die Grenzen. Momentan betreute er vier Bücher im Frühjahrsprogramm, und für die Veröffentlichung eines einzigen, ganz zu schweigen von vier, war unendlich viel zu erledigen. Jedenfalls wenn man Tom Kidd hieß.
    »Ich soll mich also an deinen Schreibtisch setzen. Okay, aber nicht ›ewig‹, weißt du. Wenn es ewig dauert, geh ich. Was für eine Endanprobe?«
    »Von meinem Kleid. Meine Güte, meinem Hochzeitskleid. Ich heirate schließlich.«
    Heiraten! Machte man so was hier eigentlich noch? Hatte Bloomingdale’s eine Brautmodenabteilung? Woher sollte Sally das wissen? Also schenkte sie Melissa ein Lächeln, von dem sie hoffte, dass es einer Frau würdig war, die demnächst heiraten wollte. »Hab ich ganz vergessen, entschuldige. Ja, klar übernehme ich dein Telefon. Und alles Sonstige.« Sie konnte die Stimmen im Chefzimmer hören. Lautes Gelächter, dann etwas gedämpfteres Gelächter.
    Melissa schlüpfte in einen schwarzen Stoffmantel und zog ihr langes, hellbraunes Haar aus dem einengenden Kragen. »›Sonstiges‹ gibt’s eigentlich gar nicht so viel. Bobby leidet in den letzten Tage unter Energieschwund. Oder aber das, was er tut, hat nichts mit dem zu tun, was ich mache. Bye.«
    Sally ließ sich auf Melissas Schreibmaschinenstuhl nieder, der genauso war wie Melissa: klein und keck. Wie ein Stuhl »keck« sein konnte, wusste sie nicht, aber auf diesen traf es zu, der würde mit seiner kleinen geschwungenen Rückenlehne und dem ergonomischen Sitz, der sich anfühlte wie ein ausgeformter Hintern, bei Melissas geringster Berührung in Aktion treten. Überall hin – zu den Karteischränken, zum Kopierer – rollte Melissa mit der Schwungkraft eines gelähmten Kriegsveteranen, der eine Rampe entlangrast. Man sollte Wettrennen veranstalten. Sally hatte das Gefühl, das bisschen Energie, das sie ins Büro mitgebracht hatte, wurde von dem Stuhl aufgesogen.
    Sie schloss die Augen, hörte das Summen der Stimmen, hörte ein paar Worte, die so klangen wie »nur über meine Leiche« (das war Bobby) und fühlte sich erschöpft, erschöpft und alt. Sie war zweiunddreißig, und obwohl ihr der Job Spaß machte (wer konnte das schon von sich behaupten?), fühlte sie sich verschwendet. Denn im Grunde wollte Sally ebenfalls schreiben. Es war fast unmöglich, von so viel gutem Schreiben umgeben zu sein und dem prickelnden Gefühl, kreativ zu sein (Schriftsteller mochten es nicht zugeben, aber es war so: prickelnd), und dabei nicht das Bedürfnis zu haben, die eigenen Worte gedruckt sehen zu wollen, ja, mehr noch als »gedruckt«– veröffentlicht von einem renommierten Verlag, der bereit ist, dafür zu zahlen. Nun, sie hatte versucht zu schreiben, dann aber – und das unterschied wohl Autoren von Nichtautoren – beim Versuch, auch nur einen einzigen Satz hinzuschreiben, frustriert aufgegeben. Ihr war, als würde sie in einen blinden

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