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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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anheimfiele, wäre ein ähnlicher Vorgang allerdings denkbar. Ich bin aufgrund der tausend Gipfel ein Vielfaches nervöser als damals, als mir die entblößten Mädchen in Wallnau die Sinne raubten. Es ist mein Jungfernaufstieg. Olsen und ich kennen nur das Flachland. Und selbst schiefe Ebenen sind uns ausschließlich aus dem Mathematikunterricht bekannt.
    Auf jetzt, der Berg ruft.
    Trotz Kopfschmerzen und einem fluchtartigen Aufbruch von unserer Unterkunft, der, nach meinem intensiven Drängen, eine Stärkung am Frühstücksbuffet nicht zuließ. Theres schrieb mir mit schelmischem Grinsen die Rechnung des Zimmers und der Verköstigung aus. Über unsere Zweisamkeit im Hochzeitskammerl verloren wir keine Silbe, aber ihre Augen leuchteten. Trotzdem wollte ich nicht im Gastraum Zeit verbringen. Olsens Widerwillen tat ich mit »Zeitmangel. Abhauen jetzt« ab. Als wir den Brandtner Hof verließen, sahen wir Rudi auf dem Parkplatz vor der gestern aus dem Wirtshaus geflüchteten Familie zu Kreuze kriechen. Der rot angelaufene Familienvater prangerte die unerträgliche Lautstärke aus dem Nachbarzimmer an. Als ob dort Hengst und Stute kopuliert hätten. Rudi warb um die Gunst des Brandtner Hofs. Er gewähre der kompletten Familie freien Eintritt in die Wellnessoase der hiesigen Therme. Das gestrige Abendessen ginge selbstredend auch aufs Haus, ebenso die Nächtigung. Wir verdrückten uns schnell zu unserem Gefährt. Beim Aufschließen der Fahrertüre, ich habe keinen elektronischen Türöffner, erblickte er uns. Aus seinen Augen stoben Feuerquallen und Mordgelüste.
    »Rudi, alter Fisch«, rief Olsen freundlich, ohne die hasserfüllte Aura des Herrn Brandtner zu erahnen. »Schöner Abend gestern. Vielen Dank für die Gastfreundschaft. Die Knödel waren lecker.« Olsen formte mit Daumen und Zeigefinger ein O. Rudis Hals wurde dicker als sein Kopf. Auf Wiedersehen im Brandtner Hof.
    Eine Schiefertafel mit Sinalco-Werbung gibt Hungernden Auskunft. Olsen liest laut. Schweißtropfen regnen auf die Tafel.
    »Rehragout. Gulaschsuppe. Kaspressknödelsuppe.« Letzteres liest er dreimal.
    »Schnitzel mit Sahne. Apfelstrudel. Germknödel. Kaffeehaferl.«
    Wir wissen, das »mit Sahne« gehört zum Apfelstrudel. Nicht zum Schnitzel. Es ist aus Platzmangel in die obere Zeile gerutscht. Wir wissen nicht, was Germknödel oder Kaspressknödelsuppen sind. Wir wissen auch nicht, wer der Mann ist, der vor dieser Berghütte sitzt und Fotos von uns macht. Als er die mit Teleobjektiv bewaffnete Nikon aus dem Gesicht nimmt, grinst uns ein Asiate an. Er schickt ein perfektes Servus über den Jagdzaun.
    »Guten Tag«, sage ich.
    Olsen probiert ein »Zefix«.
    Ich weiß, dass Olsen die Zunge aus dem Hals hängt. Mir schmerzt der Gaumen. Trockenheit macht das Schlucken unmöglich. Unser Wasservorrat ist beträchtlich geschrumpft, was sage ich: aufgebraucht. Schon im Auto bekämpften wir das Brennen in der Kehle. Wir verfluchen laut und offen die Gesellschaft der Stammtischrunde. Unser beider Kopfschmerz ist schlimmer als der Weltschmerz.
    Mein trüber Blick in Olsens rotunterlaufene Augen lässt keinen Zweifel zu. Wir müssen weiter. Trotz Durst. Wir wollen vor der Dunkelheit unser Ziel erreichen.
    »Auf Wiedersehen«, sage ich zu dem Mann, auf dessen blauer Trainingsjacke in gelben Lettern »Free Tibet« blinkt. Nach netzhautreinigenden Augenaufschlägen merke ich die Einbildung. »Sport Franzl« steht da geschrieben.
    Olsen sagt »Sayonara«. Peinlich wie eh und je.
    Der Asiate macht zum Abschied ein weiteres Foto von uns, ruft dann »Für mei Homepage von dera Hüttn« und deutet auf ein Holzschild über der Eingangstüre.
    Salzhüttn
    Olsen weint. Es ist das Salz seines bitteren Schweißes. Hinzu gesellt sich Verwirrung.
    »I bin da Pächta.«
    Er erkennt offenbar unsere Not.
    »Ia kennts dåhint eian Schädl in den Wasserzuba neihenga. Oda aa a Wasser auffülln.«
    Nun deutet der japanische Bayer ans Hütteneck. Verstanden haben wir wenig, ja, man könnte sagen, für uns war das Chinesisch. Seinem Finger und unserem Gehör folgend finden wir einen Wassertrog. Ein Schluck Leben könnte jetzt doch nicht schaden. Zeitmangel hin oder her. Vier gefühlte Stunden ertränken wir unsere Häupter darin. Das steht bestimmt auch in Rüdiger Nehbergs »Überleben ums Verrecken«.
    »Findet man nach Tagen der Entbehrung eine Wasserquelle, so tauche man darin ab und schlucke in größten und schnellsten Zügen den Inhalt leer.«
    Wir tauchen wieder auf.
    Das

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