Grimms Erben
gerät schwer in Mitleidenschaft, ich huste und röchle, Theres haut nun mit der flachen Hand auf meine Wangen. Sind das Fick-Watschn? Geht so Alpensex? Was habe ich ihr getan?
Ich versuche sie verzweifelt abzuwerfen, winde mich wie ein Zitteraal, merke dabei, dass ich mit meinem Oberkörper unter dem Bettkasten gefangen bin. Somit sind zumindest meine Gesichts- und Halspartien vor der Penetration ihrer Fäuste geschützt. Sie ackert über meiner Hüfte wie ein Gaul, schreit nun schrille Flüche gegen die Wände und, ob man dem folgen kann oder nicht, ich spüre ein langsames, brodelndes Kitzeln in meinem Prostatabereich. Theres schiebt mich noch einmal mit einem letzten, druckvollen Hüftschwung unter das Bett. Dabei reißt sie mir zwei saftige Steaks aus meinen seitlichen Bauchmuskeln. Ich verliere Samen, das spüre ich genau. Es ist das eine, wenn man sinnesberauscht vom Zuckerbrot beißt. Aber wenn man gleichzeitig einen Peitschenhieb verarbeiten muss, der bis auf die Knochen Haut, Gewebe, Blutgefäße und Faszien verdrängt, dann hält sich die Süßigkeit des ekstatischen Brots in überschaubarer Grenze.
Ihr Brüllen ist eine Mischung aus Wollust und Überlebensruf. Ich schreie mit. »Hurra!«, kommt es ehrlich und erleichtert aus meinem Inneren. Nicht dass ich mich über unser gutgetimtes Orgasmusfinale freue. Ich bin aus tiefstem Antrieb glücklich, diesen geschlechtlichen Angriff überlebt zu haben, ohne zu wissen, was da noch kommen mag.
Theres zittert auf mir sitzend, wackelt unkontrolliert mit dem Gesäß, als ob kleine Stromschläge ihr an den Innenseiten der Oberschenkel verabreicht werden.
Was für eine Bergankunft, um die sportliche Metapher noch einmal zu bemühen.
Theres, immer noch auf meiner Hüfte platziert, gluckst mit ihrem Oberkörper. Das kann ich deutlich hören. Mein geistiges Torkeln durch Raum und Zeit wird durch die Überlegung, ob ich körperlich kollabieren sollte oder nicht, angereichert. In diesem Moment gleiche ich einem Kadaver, über dem ein Raubtier seinen Verdauungsschlaf hält.
»Siebenundvierzigeuroachtzig«, dringt es dumpf an meine heißen Trommelfelle.
Verdammt, ich hätte den Braten riechen können. Olsen hat mich vor den bajuwarischen Bräuchen gewarnt. Geschärfte Aufmerksamkeit zähle ich zu meinen deutlich ausgeprägten Tugenden, dennoch gerate ich an eine Dirndldirne.
Ein Geräusch von flatterndem Papier lässt mich aufsehen. Ich stoße mir am Gitterrost den Kopf, sehe Theres’ Hand, in der ein Zettel wie eine weiße Fahne Kapitulation vermittelt.
Eine Quittung?
Bumsen auf Rechnung?
Ich ergreife in meiner unkomfortablen Situation das Papier. In der Bettkastendunkelheit erkenne ich folgende Schrift:
Brandtner Hof
Darunter: Datum. Bewirtung: Theres Brandtner
Dann eine Auflistung einiger Spesen, Getränke, Mahlzeiten.
Unten prangen wie zwei Hausnummern folgende Zahlen.
47,80
»Du woitest doch zoin. Oda?«
Theres liegt auf einem Himmelbett, wie ich nun im Schimmer des dreifachen Kerzenscheins erkenne. Eine kunstvoll geschnitzte Liegestätte. Habe ich vorhin gar nicht bemerkt. Ich habe mich aus meinem hölzernen Pranger befreit und sitze neben einer bemalten Kommode auf einem urigen Schemel. Das Zimmer, gehüllt in Rustikalität und bergländische Gemütlichkeit, riecht nach frischen Holzbalken, brennenden Kerzen und einem wabernden Moschusduft. Ein in dieser Kombination seltsames aber anregendes Konglomerat von Düften. It smells like Partenkirchen spirit. Und nach soeben abgehaltenem Sex.
Meine innere Zerrissenheit ändert nichts an meiner Erkenntnis. Theres hat ihren Normalzustand wieder erreicht und liegt nackt und schön, wie Partenkirchens Kleopatra, auf karierter Bettwäsche. Ein geheimnisvolles Lächeln kratzt kleine Falten in ihre Mundwinkel. Ich bin unschlüssig, ob ich ihr meine Meinung über das soeben Erlebte mitteilen soll. Immerhin fühlte es sich zwischendurch so an, als sei gegen meinen Willen Geschlechtsakt betrieben worden. Bei genauerer Reflexion muss ich mir aber eingestehen, dass es insgesamt doch sehr viel Laune bereitet hat. Unweigerlich kommt mir wieder der Name Boris Becker in den Sinn. Samenraub, Nötigung, Besenkammer. Immerhin hat Theres das Hochzeitskammerl des Brandtner Hofs gewählt. Das steht in geschwungener Bemalung über dem Himmelbett.
»Für immer vereint«, lese ich nun auf zwei Schranktüren. Liebespaare verbringen hier nach gründlicher Überlegung ihre erste gemeinsame Nacht als Ehegatten. Hier startet das
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