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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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der Bergwelt in den Norden gerettet hat oder alles, was uns als Kindern bei Märchengeschichten gefehlt hat, wir aber nicht zu sagen wagten. Unser Auftrag sollte professionell zu Ende geführt werden. Tote Gamsbarthutträger werden dabei nicht vorkommen. Wobei das Morbiditätsrisiko bei Märchenpersonal nicht unerheblich ist.
    PumpLine, ganz besonders Mike van Bergen, wird stolz auf uns sein.
    »Ui, der Aufenthalt in den Alpen hat sich aber gelohnt«, werden die Kollegen sagen, wenn sie mit gierigen und missgünstigen Augen durch unser fertiges Produkt blättern.
    Van Bergen wird jubilieren: »Tschossef! Ouli! It’s amazing and awesome shit! How did you do that? You have to go south more often.«
    No thanks.
    We have the Schnautze full of Bayern.
    Vielleicht kommt alles ganz anders. Vielleicht springt Olsen von der Yacht in die Fluten. Vielleicht kommt die Hamburger Hafenpolizei und nimmt uns fest. Haftbefehl aus Ehrwald, Bezirk Reutte. Wer weiß schon, was kommt?
    Als wir in der Dämmerung die Autobahnausfahrt Soltau Süd passieren, greift Olsen nach meiner rechten Hand, die ruhig auf dem Schaltknüppel liegt.
    »Joseph, du bist mein bester Freund.«
    Ich drücke seine Linke.
    Das Atmen fällt mir langsam schwer. Das Blechpaket unter meiner Goretex-Jacke drückt auf meinen Brustkorb. Selbst die eingesammelten DNA -Spuren in Form von bespuckten Papierkugeln und blutverschmierten Taschentüchern befinden sich noch in den Taschen.
    Obwohl mich Olsen mit seinem »Brief-und-Siegel«-Halbsatz auf die Idee brachte, den Schreibtisch von Adi noch mal genauer zu untersuchen, werde ich ihm von dem Briefpaket nichts sagen.
    Irgendetwas in mir verlangt, dass ich das alleine zu Ende bringe.
    Mein rechter Fuß fällt schwer aufs Gaspedal.
    Ich will heim.

TEIL VIER
    VON FADEN & GARN
    _________________________________
    Die Suche
    »Entschuldigen Sie. Verzeihung.«
    Ich lasse meinen linken Ellbogen wie James Dean aus dem Fahrerfenster des Autos hängen. Endlich dreht sich der Kauz um, neben dem ich im Schritttempo herfahre. Blaue Adidasjogginghose, feingeripptes Unterhemd, darüber ein geöffnetes Holzfällerhemd mit dicken Karos darauf. Sie sind rot, schwarz und weiß. Ich trete auf die Bremse.
    »Hören Sie, ich suche die Hinzestraße.«
    Der dunkelhäutige Mann mit der blauen Truckermütze, auf dessen weißem aufgeschäumten Panel ein Surfer abgebildet ist, kommt über die Straße an mein geöffnetes Fenster. Er nimmt die Mütze ab, um sich am Kopf zu kratzen. Sein Haar geht auf wie ein afroamerikanischer Blumenstrauß. Wie viele Locken passen eigentlich unter eine Schirmmütze?
    Er spricht langsam.
    »Wissen Sie eigentlich, dass es in Hamburg mehr Brücken als in Venedig gibt? Knapp zweitausendfünfhundert sind es.«
    Wusste ich nicht. Aber wie kommt der schräge Vogel auf Hamburg?
    »Nummernschild«, sagt er und deutet auf meine Motorhaube, so als hätte er mir meine Gedanken von den Augen abgelesen. Er fährt fort, während er mit dem Zeigefinger über seinen haarsträubenden Oberlippenbart streicht.
    »Hinzestraße? Was wollen Sie denn da?«
    »Was abgeben«, sage ich und hebe das Paket, das auf dem Beifahrersitz ruht, nach oben.
    »Aha.«
    Nichts sonst. Nur Aha. Irgendetwas drängt mich, einfach weiterzufahren. Was bildet der sich ein? Ein respektvoller Umgang mit Mitmenschen sollte doch drin sein. Selbst für einen, der aus einem Hip-Hop-Video von Run DMC entstiegen zu sein scheint. Er zieht etwas aus seiner Hosentasche. Ich erschrecke, drücke leicht aufs Gas. Gleich darauf erkenne ich jedoch eine schwarze Zigarettenschachtel. Im ersten Moment dachte ich, es wäre eine Walther P38. Was für ein paranoider Blödsinn. Ich lache souverän. Und nehme meine Sonnenbrille eines bedeutenden Modelabels ab. Eine Weihnachtsgratifikation von PumpLine.
    Im Grunde ist das äußerst unfreundlich. Allein mein aktuelles Aussehen lässt eine solche Frage zu. Bin nicht böse.
    »Segeltörn. Zwei Wochen auf der Yacht.«
    Und dank meiner Weihnachtsgratifikation sehe ich eben ohne diese aus wie eine Schleiereule. Schneeweiße Augenpartien. Der Rest wie geröstet Brot.
    »Yuppie!«
    »Wie bitte?« Ich glaube, jetzt werde ich doch böse. Gleich bekommt er auf die Mappe. Der afroamerikanische Bayer streckt mir seine Zigarettenschachtel entgegen und wiederholt.
    »Fluppe?«
    Ach so. Ich dachte schon, er hätte Yuppie gesagt. Ich lehne dankend ab.
    »An der zweiten Ampel links. Zweite rechts. Das ist die Tybbkestraße. Dort die erste rechts

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