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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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Anblick der Hundewurst zur Tat. Eigens dafür zugelegte Plastiktütchen entsorgen den tierischen Unrat. Lochers Hände stinken danach manchmal. In seiner Abfalltonne häufen sich die Haufen.
    Sieht Herr Malangré die Beseitigung seitens Lochers, zuckt er unschuldbewusst mit den Schultern und nickt in Richtung des Hundes: »Gell, Bombey, gell, brav.« In Richtung Locher nickt er nicht. Er kann ja schlecht sagen: »Gell, Locher, gell, brav.« Das geht nicht. Was gehen würde wäre: »Grüß Gott.« Oder meinetwegen: »Guten Tag.« Oder: »Entschuldigung für die Verunreinigung, die mein Hund hinterlässt.« Aber nichts dergleichen.
    Neben Augusts Heim steht ein Familienhaus. Es ist in Besitz der Familie Wolf. Mann. Frau. Sohn.Tochter im Internat.
    Er, der Herr des Hauses, ein Mercedesler. Er verkauft die Bonzenboliden an Wohlsituierte und bindet Menschen an Leasingverträge, an denen sie dann zugrunde gehen. Sie, die Frau Wolf, arbeitet in der Bank. Aber nicht dass Sie an Privatkundenbetreuung denken. Nein, unten im Kellerarchiv. Akten sortieren.
    Der Sohn ist von einer fiesen Naturquälerei durchdrungen. Ein Zerstörer von Flora und Fauna. Rotzfrech obendrein. Ihm ist die Boshaftigkeit ins Gesicht geschrieben. Nun, nicht dass Sie jetzt den Vergleich mit »Chucky die Mörderpuppe«, ziehen sollen. Aber wenn Sie sich an den groben Nachbarsjungen Oswald Richter aus der tschechischen Kinderserie »Luzie, der Schrecken der Straße« erinnern wollen, dann liegen Sie nicht so verkehrt. Nichts ist dem hageren Kerl heilig. Er köpft auf dem Fahrrad passierend Blumenbeete mit Holzschwertern, entreißt frischgepflanzte Jungbäume, sprengt Vogelhäuser in die Luft, zertritt liebend gerne Nacktschnecken zu schleimiger Knetmasse, schießt mit Steinschleudern auf Spatzen, sengt Katzen die buschigen Schwänze an, bindet Maulwürfe auf Straßenbahnschienen, taucht Frösche in Benzin, spinnt voll und ganz.
    Die Tochter der Wolfs ist selten da und ziemlich fett. Zumindest übergewichtig. In der Auffahrt zur Doppelgarage steht ein Basketballkorb. An die Seite dieser Auffahrt grenzt Lochers Grund und Boden.
    »Ach, Sie.« Die Begrüßung von Frau Wolf, an August Locher gerichtet, fällt knapp aus. Antipathie schwingt mit, knattert wie eine Fahne im Winde des Orkans. Von Herrn Wolf kommt, im Falle einer Zusammenkunft, ein tiefes Brummen, das an eine Fankurve nach einer verpassten Großchance der eigenen Mannschaft erinnert. Nur viel leiser, versteht sich. Das Gefühl einer Enttäuschung ausdrückend.
    Der Sohn, der übrigens Björn-Ben heißt, streckt August tagtäglich die Zunge raus.
    Er steht oft lange am Zaun und stiert in Lochers Haus. Seine Zunge ist dabei gebleckt. Wie ein durch und durch dummes Lama steht er da. Frau Wolf schreit »Bjöööööööööörn-Ben«, um den starrenden Quälgeist ins Haus zu befehlen. Nicht selten kommt auch Herrn Malangrés doofer Köter in die Auffahrt der Wolfs getrottet, weil er vermutet, Frau Wolf habe »Boooooooooooooombay« gerufen.
    Fernanda-Kora, die Tochter, grinst Locher wenigsten an, auch wenn sie dabei leicht debil guckt und mit dem Kopf wackelt. Manchmal formt sie ihre Hände zu Hip-Hop-Gesten und ruft über den Zaun »Yo, Locher!«
    Immerhin kennt sie seinen Namen. Sie ist selten da.
    Neben der Familie Wolf wohnt die körperbehinderte Frau Kowalski. Sie verlor das Gefühl für ihre Beine bei einem Reitunfall in späteren Lebensjahren. Die Querschnittslähmung zwingt sie zur Benützung eines Rollstuhls, auf dem ein Aufkleber angebracht ist, der besagt: Ich bremse auch für Tiere. Für Frau Kowalskis Alter ein ziemlicher unpassender Sticker, vielleicht haben ihn aber auch die Rotzbuben aus der Tybbkestraße aufgeklebt, ohne dass sie es bemerkt hat. Sie wohnt allein, wird von Essen auf Rädern beliefert und von Menschen auf Beinen gepflegt und betreut. Man soll sich über Behinderte aus Gründen der Ethik, Pietät und Empathie nicht lapidar äußern, im Grunde gebe ich aber nur August Lochers Meinung wieder: Maria Kowalski ähnelt in ihren Wesenszügen einem intriganten, xanthippischen Hexenweib.
    Seit der zehnjährige August bei Zacharias einzog, schickte die alte Kowalski in regelmäßigen Abständen wahlweise das Jugendamt, die Polizei, das Bauamt, und sandte, weil alles nicht fruchtete, nicht jugendfreie Verfluchungen und Verleumdungen zum Locheranwesen. Der Groll, den sie auf die Lochers hegt, findet den Ursprung in der Tatsache, dass ihr mittlerweile verstorbener Mann Forstoberaufseher

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