Grimms Erben
Drücken augenblicklich zu. Hinter den Weizengläsern erscheinen Augen, ein silbriges Stoppelfeld stülpt sich wie ein Dach über die Brillenrahmen aus Horn. Panzers Sinne sammeln sich, er fängt an zu begreifen.
»Arschlocher? Bist du das? Du Huren…«
Ein Aufwärtshaken, von Süden nach Norden gezogen, trifft Panzers Visage am Kinn. Verzeihung, aber Locher arbeitete jahrelang in dieser Fabrik, musste schwere Kanister wuchten, Papierstapel verladen, »Das Bestiarium von Freyung« schleppen. Locher ist kein Schwächling. Er zeigt es nur nie. Und haben Sie aufgepasst? Die Taschenlampe hält er immer noch in der Hand.
Mit Verlaub: Dieser Schlag Lochers ist geschmiedet in den tiefsten Hallen Odins. Eine Betonhand aus Wut und Hass, ein Hammer aus der Waffenhalle des Zorns.
Panzer bricht stöhnend und ohnmächtig zusammen.
Locher kramt schnell in seinem Rucksack.
Die Unterarme sind zwischen aufgestapelten Zeitungsbündeln wie zwischen Betonblöcken gefangen. Sein Rücken lehnt gegen Zeitungen. Ein Thron aus Papier. Die käsigen Staplerfahrerbeine weisen gestreckt und gespreizt von ihm weg. Scharf und brennend scheuert ein Seil an den Fußfesseln, das hinterrücks um die Sitzvorrichtung gestrafft wurde. Somit befindet sich Panzer mehr als wehrlos auf dem Präsentierteller. Die Arme unbrauchbar, die Beine seltsam verrenkt und abgespreizt, und er ist nicht imstande, sie wieder zusammenzuführen. Panzer stöhnt, als ihm Wasser aus einer Feldflasche ins Gesicht spritzt. Zwei, drei Backpfeifen hinterher, und der Exarbeitskollege erwacht aus seinem Dämmerzustand.
Lallend bringt Panzer an: »Das soll wenn das?«
Seine Pupillen kreisen, finden dann beide die Mitte.
»Locher. Scheiße. Du Hurensohn.«
Locher steht einen Meter von Panzer entfernt und begutachtet sein Kunstwerk. Die Engelhardts wären neidisch. Moderne Kunst – meuble de papier.
»Wenn ich dich erwische, ist schon klar, dass du das dann nicht überleben wirst.«
Die Pupillen springen in ihre ursprüngliche Stellung zurück.
Locher sieht ihm unverwandt in die gemeinen Augen. Jegliche Pein, die ihm von dem Unmensch zugefügt wurde, all die Unmenschlichkeiten und niederschmetternden Momente, die er durch die seelischen wie körperlichen Misshandlungen hat über sich ergehen lassen müssen, blitzen darin auf.
Locher schweigt.
»Dachte, nach unserem letzten Treffen hätte Berger dir den Laufpass gegeben. Suchst hier wohl nach Klopapier, um dir die Nase zu putzen, was?«
Locher nickt.
Panzer spuckt süffisant vor Locher auf den Boden.
»Du Penner, was soll denn das? Du Irrer. Komm doch her, wenn du was in den Knochen hast. Mumm oder so was.«
Panzer wird wild, versucht sich aus dem Papiergefängnis zu befreien. Er zerrt kurz an den Fußfesseln. Und weiß schon bald, wie sinnlos das ist. Es folgt eine Salve aus dem Reich der Koprolalie, also der Fäkal-sprache, die ich Ihnen, obwohl ja schon einiges geboten wurde, hier und jetzt ersparen möchte. Ich hoffe, Sie akzeptieren das.
Locher lächelt – und nickt mit dem Kopf in Richtung von Panzers Hüfte.
Erst jetzt schaut Panzer nach unten und bemerkt nach all dem Surren im Kopf, dass der Unterkörper frei hängt, und dass er völlig nackt vor Locher sitzt. Zum ersten Mal bemerkt Locher bei Panzer einen Anflug von Unsicherheit. Und in diese Unsicherheit rammt Locher ein Stemmeisen. Er hält eine Rolle Klebeband vor Panzers Nase.
»Ha.« Panzer scheint sich schnell gefangen zu haben. »Du dreckige Schwuchtel. Willst du dich an meiner Kanone zu schaffen machen? Das Gerät ist ein wenig zu groß für dich.«
Locher nickt zustimmend.
»Dann lass die Finger von meiner Wumme!«
Aus Panzer knattert nun ein hysterischer Lachanfall. Den flackernden Blick zwischen seinem Geschlechtsteil und Lochers Augen hinund herwerfend, geht die Lachsalve in einen bösen Hustenanfall über.
»Hör mal, du Versager. Was soll das denn alles?« Wieder prüft Panzer ruckartig, ob nicht doch eine Befreiungsmöglichkeit bestünde. Keine Chance. Locher war sorgfältig. Der dreht sich nun um, steht auf, schreitet auf den Staplerfahrer zu. Was er da in den Händen hält, kann Panzer noch nicht genau sehen.
Locher beugt sich vor, sehr nah zu Panzers Gesicht und spricht zum ersten Mal zu Panzer:
»Wir spielen jetzt Bar Eden, Panzer. Hast du Lust?«
Panzer verzieht sein Gesicht. Seine Augen stellen Fragen, sein Mund bleibt stumm.
Nun macht sich Locher wirklich an Panzers Geschlechtsteil ran. Wenige Handgriffe genügen. Panzer, zu
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