Grimwood, Ken - Replay
Unvorhersagbarkeit waren gerade das, was ihn reizte.
Was Pamela betraf, so hatte sie sich mit einem Gefühl neuer Begeisterung und Freiheit ins Filmemachen gestürzt. Nicht mehr länger von ihrer selbstauferlegten Mission geknebelt, die Menschheit zu neuen Stufen des Bewußtseins und Seins emporzuheben, hatte sie eine leicht pikante Komödie über ungleiche, nicht zueinander passende Liebespaare geschrieben. Die weibliche Hauptrolle war mit einer jungen Unbekannten, Darryl Hannah, besetzt worden, und Pamela hatte darauf bestanden, die Regieverantwortung einem Fernsehkomiker zu übergeben, Rob Reiner. Wie immer waren ihre Kollegen entsetzt über ihre Wahl solch unerprobter Talente, doch als Produzentin und alleiniger Financier des Projekts behielt sie sich in solchen Angelegenheiten das letzte Wort vor. Sie war mit Jeff nach New York gekommen, um die Vorproduktion und das Location Scouting für den neuen Film zu überwachen. Die Dreharbeiten würden in wenigen Tagen beginnen, in der zweiten Juniwoche.
Sie wandten sich nach rechts und gingen auf der Fifth Avenue nordwärts, wobei sie ihr Gespräch über historische Phantasien wieder aufnahmen.
»Denk mal, was da Vinci hätte erreichen können, wenn er unsere Möglichkeiten gehabt hätte«, sagte Pamela versonnen. »Die Skulpturen, die Gemälde, die er in verschiedenen Leben hätte machen können.«
»Nimm mal an, es wäre so; vielleicht bestand die Welt auf einem anderen Zeitstrang für jede seiner Existenzen fort, ebenso wie bei uns. In einer Version der Realität des zwanzigsten Jahrhunderts könnte er durch seine Erfindungen bekannter sein als durch seine Kunst, wenn er die Zeit gehabt hätte, sie zu überarbeiten und zu verbessern. In einer anderen Version könnte er sich in seine Gedanken zurückgezogen haben und absolut nichts Bemerkenswertes hinterlassen haben. Desgleichen gibt es vielleicht eine Zukunft, in der man sich an dich wegen Starsea erinnern wird, und eine andere, in der die Future Incorporation weiter als große Filmgesellschaft überdauert hat.«
»Überdauert hat?« Sie runzelte die Stirn. »Meinst du nicht ›überdauern wird‹?«
»Nein«, sagte Jeff. »Wenn der Fluß der Zeit kontinuierlich ist – ununterbrochen, insofern es den Rest der Welt betrifft, diese Schleife, die du und ich weiter durchlaufen, außer acht gelassen, und wenn sich die Zeit aus jeder Version der Schleife in neue Realitätslinien verzweigt, abhängig von den Veränderungen, die wir bei jedem Durchgang in Gang setzen – dann müßte sich die Geschichte für jede Wiederholung, die wir durchlaufen haben, um fünfundzwanzig Jahre fortentwickelt haben.«
Sie schürzte die Lippen, dachte einen Moment lang nach. »Wenn das wahr ist, wären die individuellen Zeitstränge jedenfalls versetzt angeordnet. Jede Verzweigung würde sich auf ihrem Weg von 1988 an, als wir starben, fortgesetzt haben, aber die vorhergehende wäre ihr um fünfundzwanzig Jahre voraus.«
»Das ist richtig. Also ist es in der Welt unserer allerletzten Wiederholung, in der du mit Dustin Hoffmann verheiratet warst und ich in Atlanta lebte, erst siebzehn Jahre her, daß wir gestorben sind. Man schreibt das Jahr 2005; die meisten der Leute, die wir kannten, würden noch leben.
Aber von unserem ersten Replay ausgehend, dem Leben, in dem du Ärztin in Chicago warst und ich meinen ersten Konzern aufbaute, sind zweiundvierzig Jahre vergangen. Man schriebe das Jahr 2029; meine Tochter Gretchen wäre über fünfzig, hätte wahrscheinlich eigene erwachsene Kinder…«
Jeff verstummte, ernüchtert von dem Gedanken, daß sein einziges wahres Kind noch lebte, wenn auch objektiv um zehn Jahre älter, als er je gewesen war.
Pamela führte den Gedanken für ihn zu Ende. »Und auf dem Zeitstrang unserer ursprünglichen Leben wären siebenundsechzig Jahre vergangen. Die Welt, in der wir aufwuchsen, befände sich in der zweiten Hälfte des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Meine eigenen Kinder… sie wären in den Siebzigern. Mein Gott!«
Ihr Spekulationsspiel war ernsthafter, beunruhigender geworden, als sie beide es erwartet hatten. Jeder für sich in stilles Nachdenken versunken, hätten sie die elegant gekleidete blonde Frau in den späten Dreißigern und den Jungen im Teenageralter, die wartend neben ihnen vor dem Sherry-Netherland Hotel standen, während der Portier ein Taxi herbeirief, fast nicht bemerkt.
Die Frau hob in mildem Erstaunen die Brauen, als Jeff und Pamela vorbeigingen. Etwas in ihrem
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