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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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fassungslos. »Falls du es vergessen hast: Eines dieser Biester wollte dich fressen.«
    Er zuckte mit den Schultern und ein Grinsen umspielte seine Lippen. »Vielleicht will ich genau deshalb sehen, was diese Geschütze vermögen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Das gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht.
    »Nur kurz«, drängte Sturmhond. »Mir zuliebe.«
    Ihm zuliebe. Bat er etwa um ein zweites Stückchen Torte?
    Die Besatzung wartete. Tolja und Tamar saßen gekrümmt hinter ihren mehrläufigen Geschützen. Sie erinnerten mich an Insekten mit gapanzerten Rücken.
    »Na schön«, sagte ich. »Aber erzähl mir hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
    Maljen legte das Gewehr an.
    »Dann los«, murmelte ich und bewegte die Finger. Die Lichtkugel schrumpfte, zog sich um das Schiff zusammen.
    Die Volkra kreischten aufgeregt.
    »Weiter!«, befahl Sturmhond.
    Ich knirschte frustriert mit den Zähnen, dann tat ich wie geheißen. Es wurde dunkel.
    Ich hörte das Rauschen von Schwingen. Ein Volkra im Sturzflug.
    »Jetzt, Alina!«, schrie Sturmhond. »Weit auswerfen!«
    Ich überlegte nicht lange, sondern warf das Licht in einer blendend hellen Welle aus. Sie tauchte den uns umgebenden Schrecken in den grellen, unbarmherzigen Schein einer Mittagssonne. Wir waren umzingelt von Volkra, die überall in der Luft hingen, Massen grauer, geflügelter, zuckender Leiber mit milchigen, blicklosen Augen und Kiefern, die von Zähnen nur so starrten. Ihre Ähnlichkeit mit den Nitschewo’ja war unverkennbar, nur waren sie viel grotesker und plumper.
    »Feuer!«, schrie Sturmhond.
    Tolja und Tamar eröffneten das Feuer. Ein solches Geräusch hatte ich noch nie gehört – ein ratterndes Gedonner, bei dem mir der Schädel zu platzen drohte und das die Luft erbeben ließ.
    Es war ein Massaker. Ringsumher stürzten die Volkra mit zerfetzter Brust und abgerissenen Flügeln vom Himmel. Die leeren Hülsen der Geschosse klimperten auf das Schiffsdeck. Beißender Schießpulvergeruch erfüllte die Luft.
    Zweihundert Schuss in der Minute. Hier zeigte sich, was eine moderne Armee erreichen konnte.
    Die Ungeheuer schienen nicht zu wissen, wie ihnen geschah. Sie wirbelten umher und peitschten die Luft, getrieben von rasendem Blutdurst, von Hunger und Furcht, waren verwirrt, wollten fliehen und schnappten nacheinander. Ihre Schreie … Baghra hatte mir erzählt, dass die Vorfahren der Volkra Menschen gewesen waren. Ich hätte schwören können, dass ich dies aus ihren Schreien heraushörte.
    Die Schüsse ebbten ab. Es pfiff mir in den Ohren. Als ich den Kopf hob, stellte ich fest, dass die Segel mit schwarzem Blut beschmiert und von Fleischfetzen bedeckt waren. Kalter Schweiß war auf meine Stirn getreten.
    Die Stille währte nur Sekunden. Dann warf Tolja den Kopf in den Nacken und stieß ein Triumphgeheul aus. Die übrige Besatzung stimmte kläffend und bellend ein. Ich wollte sie anbrüllen, die Klappe zu halten, blieb aber stumm.
    »Können wir noch einen Schwarm anlocken?«, fragte einer der Stürmer.
    »Vielleicht«, antwortete Sturmhond. »Aber wir sollten wohl auf Ostkurs gehen. Es dämmert gleich und ich möchte nicht, dass man uns entdeckt.«
    Ja , dachte ich. Auf nach Osten. Nichts wie weg hier. Meine Hände zitterten. Meine Schulterwunde brannte und pochte. Was war nur los mit mir? Die Volkra waren Ungeheuer. Sie hätten uns kurzerhand in Stücke gerissen. Das wusste ich. Trotzdem klangen mir noch immer ihre Schreie im Ohr.
    »Da sind noch mehr«, sagte Maljen unvermittelt. »Viel mehr.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Sturmhond.
    »Ich weiß es einfach.«
    Sturmhond zögerte. Schutzbrille, Mütze und hoher Kragen verbargen seine Miene. »Wo?«, fragte er schließlich.
    »Etwas weiter nördlich«, sagte Maljen. »Dort.« Er zeigte in die Finsternis.
    Am liebsten hätte ich seine Hand weggeschlagen. Natürlich konnte er die Volkra aufspüren, aber musste er es unbedingt tun?
    Sturmhond änderte den Kurs. Mir sank das Herz.
    Die Kolibri legte sich schräg und flog eine Kurve, während Maljen Anweisungen schrie und Sturmhond wiederholt den Kurs korrigierte. Ich versuchte mich ganz auf das Licht und das tröstliche Gefühl meiner Macht zu konzentrieren und verdrängte die aufkommende Übelkeit.
    Sturmhond ließ uns tiefer gehen. Mein Licht fiel auf den fahlen Sand der Schattenflur und auf den schemenhaften Rumpf eines gekenterten Sandskiffs.
    Beim Näherkommen erbebte ich innerlich. Das Skiff war halbiert worden. Ein Mast war

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