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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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der jungen Edelleute an, die vor dem Eingang zum Ballsaal standen. Überrascht stellte ich fest, dass er rot wurde und den Blick senkte, und sah zu Nadja und Marie, aber sie hatten nichts bemerkt, sondern plapperten über die Gerichte, die man zum Abendessen servierte – gebratenen Luchs, gesalzene Pfirsiche, flambierten Schwan mit Safran. Ich war froh, dass ich schon gegessen hatte.
    Der Ballsaal war noch größer und prunkvoller als der Thronsaal und wurde von langen Reihen glitzernder Kronleuchter erhellt. Zahllose Menschen standen da und tranken oder tanzten zu den Klängen eines aus maskierten Musikern bestehenden Orchesters, das ganz hinten vor der Wand spielte. Alles schien zu glitzern, ob Gewänder oder Schmuck, die Kristalle der Kronleuchter, ja sogar der Boden unter unseren Füßen, und ich fragte mich, inwieweit dies der Kunst der Fabrikatoren zu verdanken war.
    Die Grischa mischten sich unter die Leute und tanzten, waren aber unschwer an ihren Farben zu erkennen: Purpur, Karmesinrot und Dunkelblau. Im Schein der Kronleuchter erinnerten sie in ihren Gewändern an exotische, in einem verborgenen Garten blühende Blumen.
    Die nächste Stunde verging wie in Trance. Ich wurde zahllosen Edelleuten und deren Gattinnen, hochrangigen Militärs und Höflingen vorgestellt, ja sogar einigen Grischa aus Adelsfamilien, die als Gäste zum Ball gekommen waren. Ich gab den Versuch, mir die Namen einzuprägen, bald auf und beschränkte mich darauf, zu lächeln, zu nicken und mich zu verneigen. Außerdem zwang ich mich, die Menge nicht ständig nach der in Schwarz gewandeten Gestalt des Dunklen abzusuchen. Ich probierte auch zum ersten Mal Champagner, den ich viel leckerer fand als Kwass.
    Irgendwann stand ich einem müde wirkenden, auf einen Stock gestützten Edelmann gegenüber.
    Â»Herzog Keramsow!«, rief ich. Er trug seine alte Offiziersuniform und seine breite Brust war mit vielen Orden geschmückt.
    Der alte Mann sah mich neugierig an. Dass ich seinen Namen kannte, schien ihn zu erstaunen.
    Â»Ich bin es«, sagte ich. »Alina Starkowa.«
    Â»Ja … ja. Aber natürlich!«, erwiderte er mit einem flüchtigen Lächeln.
    Ich schaute ihm in die Augen. Er konnte sich nicht an mich erinnern.
    Wie sollte er auch? Ich war nur eine von vielen Waisen gewesen, noch dazu eine sehr unscheinbare. Trotzdem tat mir seine Vergesslichkeit überraschend weh.
    Ich unterhielt mich höflich und in gebotener Länge mit ihm und setzte mich bei der erstbesten Gelegenheit ab.
    Ich lehnte mich gegen eine Säule, und als ein Diener an mir vorbeihuschte, schnappte ich mir ein Glas Champagner vom Tablett. Im Saal war es angenehm warm. Ich sah mich um und fühlte mich auf einmal unglaublich einsam. Zum ersten Mal seit längerem verspürte ich beim Gedanken an Maljen den bekannten Stich im Herzen. Wäre er nur hier! Dann hätte er alles miterleben und mich in meiner seidenen Kefta und mit Gold im Haar sehen können. Es hätte mir geholfen, wenn er einfach nur neben mir gestanden hätte. Ich verdrängte diesen Gedanken und trank einen tiefen Schluck Champagner. Was kümmerte es mich, wenn ein beschwipster, alter Mann nicht mehr wusste, wer ich war? Ich sollte froh sein, dass er in mir nicht das unglückliche, magere Mädchen von damals erkannt hatte.
    Ich erblickte Genja, die durch die Menge auf mich zuglitt. Herzöge, Grafen und reiche Kaufleute reckten den Hals nach ihr, als sie an ihnen vorbeikam, aber sie schenkte ihnen keine Beachtung. Zeitverschwendung , hätte ich diesen Männern gern gesagt. Ihr Herz gehört einem schlaksigen Fabrikator, der keine Feste mag.
    Â»Es ist gleich Zeit für deinen Auftritt – die Vorführung deiner Macht, meine ich«, sagte sie, sobald sie vor mir stand. »Warum stehst du hier so allein?«
    Â»Ich brauchte eine kurze Verschnaufpause.«
    Â»Zu viel Champagner?«
    Â»Gut möglich.«
    Â»Dummes Mädchen«, sagte sie und hakte sich bei mir unter. »Man kann nie genug Champagner trinken. Dein Kopf wird dem morgen allerdings widersprechen.«
    Sie lenkte mich durch die Menge, wobei sie elegant all jenen Leuten auswich, die mich kennenlernen oder sich ihr lüstern nähern wollten. Schließlich traten wir hinter die Bühne am anderen Ende des Ballsaals. Wir standen neben dem Orchester und sahen zu, wie sich ein Mann in aufwendigem silberfarbenem Kostüm auf

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