Grisham, John
mit der
Trinkerei. Ich hatte kein ernsthaftes Problem damit, aber es war absehbar, dass
ich eines bekommen würde. Also habe ich aufgehört. Bis vor ein paar Wochen habe
ich keinen Tropfen Alkohol angerührt, inzwischen trinke ich ab und zu mal ein
Glas Wein. Wenn ich anfange, mir deshalb Sorgen zu machen, höre ich wieder
auf."
"Ich
hatte drei blutende Magengeschwüre, als sie mich in die Klinik geschleppt
haben. Ich dachte an Selbstmord, aber eigentlich meinte ich es gar nicht ernst,
weil ich dann nicht mehr an Wodka und Kokain gekommen wäre. Ich war ein totales
Wrack."
Sie bestellten Pizza und sprachen lange über die Vergangenheit, vor allem über
die Baxters. Er erzählte eine Geschichte nach der anderen über die letzten drei
Jahre in L. A. - wie er sich bemühte hatte, ins Filmgeschäft einzusteigen, die
Partys, die Drogenszene, die wunderschönen jungen Mädchen aus allen möglichen
kleinen Städten Amerikas, die mit vollem Körpereinsatz versuchten, eine Rolle
als Schauspielerin zu bekommen oder einen reichen Mann zu heiraten. Kyle hörte
aufmerksam zu, während er die Eingangstür und die Fenster im Auge behielt.
Nichts.
Sie unterhielten sich über ihre alten Freunde, Kyles neuen Job, Baxters neues
Leben. Nach einer Stunde, als die Pizza gegessen war, kamen sie schließlich auf
wichtigere Angelegenheiten zu sprechen. "Joey hat dir sicher von Elaine
erzählt", sagte Baxter.
"Natürlich.
Ich halte das für keine gute Idee. Ich habe Ahnung vom Gesetz, du nicht. Du
begibst dich in Treibsand, und es wäre gut möglich, dass du uns mitreißt."
"Aber
du hast doch gar nichts getan. Warum machst du dir Sorgen?"
"Stell
dir mal Folgendes vor." Kyle beugte sich vor. Er wollte endlich loswerden,
worüber er stundenlang nachgedacht hatte. "Du triffst dich mit Elaine,
weil du nach Wiedergutmachung, Vergebung oder sonst irgendwas suchst. Du
entschuldigst dich bei jemandem, dem du wehgetan hast. Vielleicht akzeptiert
sie deine Entschuldigung ja, dann könnt ihr euch umarmen und voneinander
verabschieden. Aber so wird es vermutlich nicht sein. Es ist erheblich
wahrscheinlicher, dass sie von dem christlichen Ansatz gar nichts hält, dass
ihr das mit dem Verzeihen scheißegal ist, und sie mit Hilfe ihrer ziemlich
unangenehmen Anwältin beschließt, dass sie Gerechtigkeit will. Sie will
Genugtuung. Sie hat behauptet, vergewaltigt worden zu sein, und niemand hat ihr
zugehört. Du hast zwar die besten Absichten, aber mit deiner Entschuldigung
wirst du ihr Recht geben. Sie fühlt sich missbraucht, und es gefällt ihr, Opfer
zu sein. Ihre Anwältin fängt an, sie unter Druck zu setzen, und dann geht alles
sehr schnell. In Pittsburgh gibt es einen Staatsanwalt, der scharf darauf ist,
sein Gesicht auf den Titelseiten der Zeitungen zu sehen, was keine große
Überraschung ist. Wie alle Staatsanwälte hat er von banalen Fällen die Nase
voll, er kann keine Schießereien mehr sehen, Straßenverbrechen öden ihn an.
Plötzlich bekommt er die Chance, vier weiße Jungs vor Gericht zu bringen, die
in Duquesne studiert haben, und einer von ihnen ist auch noch zufällig ein
Tate. Nicht nur ein weißer Angeklagter, nein, gleich vier! Es wird
Schlagzeilen, Pressekonferenzen, Interviews geben. Er wird der Held sein und
wir die Kriminellen. Natürlich haben wir das Recht auf eine Verhandlung, aber
die wird erst in einem Jahr stattfinden, und dieses Jahr wird die absolute
Hölle sein. Baxter, das kannst du nicht machen. Du wirst zu vielen Leuten damit
schaden."
"Und
wenn ich ihr Geld anbiete? Ein Geschäft mit nur zwei Beteiligten, mir und
ihr?"
"Es
könnte funktionieren. Ich bin sicher, dass sie und ihre Anwältin die
Verhandlungen genießen würden. Aber wenn du ihr Geld anbietest, ist das
gleichzeitig eine Art Schuldeingeständnis. Ich habe Elaine lange nicht gesehen
und du auch nicht, aber nach Joeys Treffen mit ihr kann man wohl sagen, dass
sie psychisch nicht sehr stabil ist. Wir können nicht vorhersehen, wie sie
reagieren wird. Es ist zu riskant."
"Kyle,
ich kann nicht mit mir leben, wenn ich nicht mit ihr rede. Ich glaube, ich habe
ihr Unrecht getan."
"Das
habe ich schon verstanden. Im Handbuch der Anonymen Alkoholiker hört sich das
natürlich großartig an, aber wenn noch mehr Leute darin verwickelt sind, ist
das etwas anderes. Du musst die Sache vergessen."
"Ich
glaube nicht, dass ich das kann."
"Du
verhältst dich ein bisschen egoistisch, Baxter. Du willst etwas tun, weil du
glaubst, dass es dir danach
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