Grisham, John
kam. Sie hat sich von ihm scheiden lassen,
und Jahre später, als er dem Trinken abgeschworen hatte, hat er herausgefunden,
wo sie wohnt, um ihr zu sagen, dass es ihm leid tut. Sie hatte eine Narbe über
der Lippe, die von ihm stammte, und als sie endlich bereit war, sich mit ihm zu
treffen, bat er sie um Vergebung. Sie deutete immer wieder auf die Narbe. Sie
weinte, er weinte. Das klingt doch furchtbar, nicht wahr?"
"Ja."
"Ich
habe ein Mädchen missbraucht. Sie steht auch auf meiner Liste."
Ein Stück Truthahnsandwich blieb Joey in der Speiseröhre stecken. Er kaute
weiter, doch der Bissen bewegte sich nicht. "Was du nicht sagst."
"Elaine
Keenan. Kannst du dich noch an sie erinnern? Sie behauptete, wir hätten sie bei
einer Party in unserer Wohnung vergewaltigt. "
"Wie
könnte ich das vergessen?"
"Denkst
du manchmal an sie? Elaine ist zur Polizei gegangen. Sie hat uns einen
Heidenschreck eingejagt. Um ein Haar hätten wir uns Anwälte genommen. Ich habe
versucht, das Ganze zu vergessen, und fast wäre es mir auch gelungen. Doch
jetzt, wo ich nüchtern bin und wieder klar denken kann, erinnere ich mich
besser daran. Joey, wir haben sie missbraucht."
Joey legte sein Sandwich weg. "Vielleicht ist dein Gedächtnis nicht ganz
so gut, wie du glaubst. Ich kann mich lediglich an ein zügelloses Mädchen
erinnern, das ganz wild auf Partys, Alkohol und Koks war, doch am meisten Spaß
gemacht hat ihr Sex. Gelegenheitssex. Mit jedem. Wir haben sie nicht
missbraucht. Ich jedenfalls nicht. Wenn du die Geschichte umschreiben willst,
bitte, aber lass mich da raus."
"Sie
ist bewusstlos geworden. Ich war der Erste, und als ich gerade dabei war, ist
mir klar geworden, dass sie ohnmächtig war. Und dann bist du zum Sofa gegangen
und hast etwas gesagt wie >Ist sie wach?<. Kannst du dich daran
erinnern?"
"Nein."
Teile davon kamen ihm bekannt vor, doch Joey war sich nicht mehr sicher. Er
hatte sich solche Mühe gegeben, das Ganze zu vergessen, und war erst wieder in
die Realität zurückgezerrt worden, als Kyle den Inhalt des Videos beschrieben
hatte.
"Sie
hat behauptet, dass sie vergewaltigt wurde. Vielleicht hat sie ja Recht."
"Nie
im Leben. Ich will dein Gedächtnis mal ein bisschen auffrischen. Du und ich
hatten in der Nacht vorher Sex mit ihr. Offenbar hat ihr das ganz gut gefallen,
denn an dem fraglichen Abend haben wir sie wieder getroffen, und sie hat
gesagt: >Kommt, wir gehen.< Sie hat eingewilligt, bevor wir in unsere
Wohnung zurück sind."
Eine lange Pause entstand, während jeder vorauszuahnen versuchte, was als
Nächstes kam.
"Hast
du vor, dich mit Elaine zu unterhalten?", fragte Joey. "Vielleicht.
Joey, ich muss etwas unternehmen. Ich glaube, ich habe etwas Unrechtes
getan."
"Baxter,
wir waren damals sturzbesoffen. Ich kann mich nur noch verschwommen an diese
Nacht erinnern."
"Oh,
die Freuden des Alkohols. Wir tun Dinge, an die wir uns hinterher nicht mehr
erinnern können. Wir tun anderen weh, weil wir egoistisch sind. Und wenn wir
endlich wieder nüchtern sind, müssen wir uns wenigstens entschuldigen."
"Entschuldigen?
Ich will dir mal was erzählen, Bruder Baxter. Vor ein paar Wochen habe ich
Elaine zufällig getroffen. Sie lebt jetzt in Scranton. Ich hatte geschäftlich
dort zu tun und habe sie beim Mittagessen zufällig in einem Deli gesehen. Ich
habe versucht, höflich zu sein, aber sie ist ausgeflippt und hat mich einen
Vergewaltiger genannt. Dann habe ich vorgeschlagen, dass wir uns ein paar
Stunden später auf eine Tasse Kaffee treffen. Sie ist mit ihrer Anwältin im
Schlepptau aufgekreuzt, die alle Männer für Abschaum hält. Nehmen wir also an,
du fährst nach Scranton, triffst dich mit ihr und sagst ihr, dass es dir leid
tut, weil sie wahrscheinlich doch die Wahrheit gesagt hat, und dass du dir
etwas Gutes tun willst, weil du jetzt nüchtern bist und den dringenden Wunsch
verspürst, ein braver kleiner Alkoholiker zu sein. Weißt du, was dann passiert?
Anklagen, Festnahmen, Gerichtsverfahren, Gefängnis - die ganze Palette. Und
nicht nur für dich, Bruder Baxter, sondern für einige deiner Freunde
auch."
Da Joey Luft holen musste, entstand eine kleine Pause. Er hatte Baxter in die
Enge getrieben, und jetzt war es Zeit, ihn fertig zu machen. "Ihre
Anwältin hat mir erklärt, dass Vergewaltigung in Pennsylvannia erst nach zwölf
Jahren verjährt, und daher ist die Sache noch nicht gegessen. Wir haben noch
etliche Jahre vor uns. Wenn du mit einer
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