Grisham, John
Mr McAvoy. Aber sie lässt sich nicht auf die Schnelle
beantworten."
Ungläubig griff Kyle nach einer Dienstmarke und rieb mit dem Daumen darüber.
Nelson Edward Ginyard, FBI. "Aber der Typ arbeitet wirklich für das FBI.
Ich habe es im Internet überprüft."
"Ja,
die Namen sind echt. Wir haben sie uns sozusagen über Nacht ausgeliehen."
"Dann
spielen Sie den Bullen nur?"
"Genau,
aber das ist bloß ein kleines Vergehen. Es lohnt nicht, dass Sie sich deshalb
Gedanken machen."
"Und
warum?"
"Damit
Sie mir zuhören. Damit Sie unserem kleinen Treffen hier zustimmen. Andernfalls
wären Sie vielleicht abgehauen. Außerdem wollten wir Sie mit unseren
Möglichkeiten beeindrucken."
"Wir?"
"Ja,
meine Firma. Man hat uns angeheuert, um einen Job zu erledigen. Wir brauchen
Sie, und dies ist unsere Methode, Leute zu engagieren."
Kyle lachte nervös. Seine Wangen fühlten sich warm an, die Blutzirkulation kam
wieder auf Touren. Erleichterung übermannte ihn, weil es keine Anklage geben
würde, weil er dem Erschießungskommando entkommen war. Aber er war stinksauer
auf Wright.
"Sie
rekrutieren durch Erpressung?", fragte er.
"Wenn's
nicht anders geht. Wir haben das Video und wissen, wo die Frau ist. Sie hat
sich tatsächlich eine Anwältin genommen."
"Weiß
sie von dem Video?"
"Nein.
Aber wenn sie es sehen würde, könnte Ihr Leben ganz schön kompliziert
werden."
"Ich
glaube nicht, dass ich Ihnen folgen kann."
"Stellen
Sie sich nicht dumm. In Pennsylvania beträgt die gesetzliche Verjährungsfrist
für Vergewaltigungen zwölf Jahre. In Ihrem Fall bleiben damit noch sieben. Wenn
Elaine Keenan und ihre Anwältin von diesem Video wüssten, würden sie mit einem
Strafgerichtsprozess drohen, um eine außergerichtliche Einigung zu erzwingen.
Wie Sie bereits sagten, würde es dabei nur um Geld gehen, aber es würde
funktionieren. Ihr Leben wird unkomplizierter verlaufen, wenn Sie tun, was wir
sagen, und wenn wir das Video weiter unter Verschluss halten."
"Dann
wollen Sie mich also engagieren?"
"Genau."
"Als
was?"
"Als
Anwalt."
Kapitel
5
Eine drückende Last schien von Kyles Schultern genommen worden zu sein, und
seine Atmung hatte sich beruhigt. Er schaute auf die Uhr - nach Mitternacht -,
dann blickte er Wright an, oder wie immer sein Gegenüber wirklich hieß. Am
liebsten hätte er gelächelt und ihn umarmt, weil er kein Cop aus Pittsburgh war
und keine Anklageschrift überreichte. Keine Festnahme, kein Prozess, keine
Demütigung. Das genügte, um Kyle in Hochstimmung zu versetzen. Andererseits
hätte er sich nur zu gern auf Wright gestürzt und ihm mit voller Wucht die Faust
ins Gesicht geschlagen, um ihn dann, nachdem er zu Boden gegangen wäre, so
lange zu treten, bis er sich nicht mehr bewegt hätte.
Er verwarf beides. Wright wirkte durchtrainiert und konnte sich mit Sicherheit
verteidigen. Und er war bestimmt nicht der Typ, den man in den Arm nehmen
wollte. Kyle lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Zum ersten
Mal seit Stunden fühlte er sich halbwegs entspannt. "Wie heißen Sie
wirklich?"
Wright zog einen neuen Block hervor und notierte links oben das Datum.
"Mit solchen sinnlosen Fragen sollten wir keine Zeit vergeuden."
"Warum
nicht? Sie dürfen mir nicht mal Ihren Namen nennen?"
"Bleiben
wir bei Bennie Wright. Es spielt auch keine Rolle, weil Sie meinen wirklichen
Namen nie erfahren werden."
"Na
wunderbar. Wie im Kino. Sie und Ihre Jungs sind wirklich gut. Sie nehmen mich
vier Stunden so in die Mangel, dass ich eine Scheißangst habe und schon daran
denke, von der nächsten Brücke zu springen. Ich hasse Sie und werde Ihnen das
nie verzeihen."
"Wenn
Sie endlich die Klappe halten würden, könnten wir
übers
Geschäftliche reden."
"Kann
ich aufstehen und gehen?"
"Selbstverständlich.
"
"Niemand
wird mich aufhalten? Keine angeblichen FBI-Be-
amten,
keine falschen Dienstmarken?"
"Nein.
Gehen Sie. Sie sind ein freier Mann."
"Danke,
ich weiß das zu schätzen."
Eine Minute verstrich, keiner der bei den sagte etwas. Wrights grimmige kleine
Augen fixierten Kyle, und so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht,
ihnen standzuhalten. Sein Fuß zuckte, sein Blick irrte umher, er trommelte mit
den Fingern auf die Tischplatte. In seinem Kopf jagten sich die Gedanken, und
doch kam er nicht ein einziges Mal auf die Idee, das Zimmer tatsächlich zu
verlassen.
"Lassen
Sie uns über Ihre Zukunft reden", sagte Wright
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