Grisham, John
zu Gesicht
bekommen."
"Es
ist eine gute Kanzlei, Dad. Eine der besten."
John zog einen Stift aus der Tasche. "Lass mich mitschreiben, damit ich es
dir in einem Jahr vorlesen kann."
"Nur
zu. Ich habe gesagt: >Es ist eine gute Kanzlei, Dad.
Eine
der besten.< "
John schrieb es auf. "Du wirst diese Kanzlei, ihre Anwälte und ihre Fälle
hassen, wahrscheinlich sogar die Sekretärinnen und die anderen Anwälte, die mit
dir anfangen. Du wirst die Schinderei hassen, die Routine, den stumpfsinnigen,
geistlosen Mist, den sie auf deinem Schreibtisch abladen. Was sagst du
dazu?"
"Ich
bin anderer Meinung."
"Großartig."
Nachdem John die letzte Antwort seines Sohnes notiert und den Stift
niedergelegt hatte, zog er an seiner Zigarette und stieß eine beeindruckende
Rauchwolke aus. "Ich dachte, du wolltest etwas anderes versuchen und
Menschen helfen. Habe ich das nicht noch vor ein paar Wochen von dir
gehört?"
"Ich
habe meine Meinung geändert."
"Das
lässt sich rückgängig machen. Es ist noch nicht zu spät."
"Nein."
"Aber
warum? Es muss einen Grund geben."
"Ich
habe einfach keine Lust, drei Jahre in einer Kleinstadt in Virginia zu
verbringen und nebenbei mein Spanisch aufzufrischen, damit ich verstehe, was
die illegalen Einwanderer für Probleme haben."
"Tut
mir leid, aber für mich wäre das ein großartiger Plan für die nächsten drei
Jahre. Ich nehm's dir nicht ab. Nenn mir einen anderen Grund." Damit schob
John seinen mit Leder bezogenen Drehstuhl zurück und sprang auf. Kyle hatte das
schon tausendmal gesehen. Wenn sein Vater erregt war und einen mit Fragen
bombardierte, lief er lieber hin und her und gestikulierte dabei. Es war eine
alte Angewohnheit aus dem Gerichtssaal, und Kyle war nicht überrascht.
"Ich
möchte Geld verdienen."
"Warum?
Um dir ein paar neue Spielzeuge zu kaufen? Du wirst nicht die Zeit haben, damit
zu spielen."
"Ich
will sparen ... "
"Selbstverständlich.
Das Leben in Manhattan ist ja so billig, dass du ein Vermögen ansparen
wirst." John ging vor einer Wand auf und ab, die fast bis zur Decke mit
gerahmten Zertifikaten und Fotos behängt war. "Ich kaufe dir das nicht ab.
Und mir gefällt das Ganze nicht." Seine Wangen waren gerötet. Das
schottische Temperament brach durch.
Bleib ruhig, dachte Kyle. Ein oder zwei scharfe Sätze würden alles nur
schlimmer machen. Er würde diese kleine Auseinandersetzung überleben wie all
die anderen. Und in nicht allzu ferner Zukunft wäre es mit den harschen Worten
vorbei, und er würde sich in Richtung New York verabschieden.
"Es
geht nur ums Geld, stimmt's, Kyle? Ich habe dich anders erzogen."
"Ich
bin nicht hier, um mich beleidigen zu lassen, Dad.
Meine
Entscheidung steht fest. Ich bitte dich, sie zu respektieren. Viele Väter wären
begeistert, wenn ihr Sohn so einen Job bekommen würde."
John McAvoy blieb stehen, drückte die Zigarette aus und blickte zu seinem
einzigen Sohn hinüber, einem gut aussehenden Fünfundzwanzigjährigen, der
ziemlich reif und sehr intelligent war. Er beschloss, den Rückzug anzutreten.
Die Entscheidung war gefallen. Er hatte genug geredet. Wenn er weitermachte,
sagte er vielleicht zu viel. "Okay. Du musst es wissen. Du bist
intelligent genug, um zu wissen, was du willst, aber ich bin dein Vater und
habe meine eigene Meinung in Bezug auf diese Entscheidung. Und in Bezug auf
die, die folgen wird. Ich bin dazu da, dir meine Meinung zu sagen. Und wenn du
wieder Mist baust, lasse ich es dich wissen, darauf kannst du dich
verlassen."
"Ich
bau keinen Mist, Dad."
"Und
ich habe keine Lust, mich zu streiten."
"Können
wir essen gehen? Ich bin halb verhungert."
"Und
ich brauche einen Drink."
Sie
führen zu "Victor's", einem italienischen Restaurant. Solange Kyle
zurückdenken konnte, war das ein freitägliches Ritual seines Vaters. John
bestellte den üblichen Martini, den er sich zum Ende der Arbeitswoche gönnte,
sein Sohn wie immer ein Glas Mineralwasser mit einer Zitronenscheibe. Sie
orderten Pasta mit Hackfleischsoße, und nach dem zweiten Martini wurde Johns
Stimmung etwas umgänglicher. Irgendwie hörte es sich doch ganz nett an, dass
die größte und renommierteste Kanzlei des Landes seinen Sohn einstellen wollte.
Aber ihn irritierte immer noch, dass Kyle seine Pläne so abrupt geändert hatte.
Wenn du wüsstest, dachte Kyle immer wieder. Dass er seinem Vater die Wahrheit
nicht erzählen konnte, machte ihm zu schaffen.
Kapitel
9
Kyle war erleichtert, als
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