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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Milo das Gespräch wieder an sich.
    »Warum habt ihr es nicht gut sein lassen, ihr hattet eure Rache doch?«
    »Wir konnten zwei Tage nicht sitzen nach den Prügeln von unserem Vater, hatte ich das nicht schon erwähnt?«, gab Milo eisig zurück. »Na ja, jedenfalls waren wir im Wald, um mit unseren Schleudern Jagd auf Singvögel zu machen, da sehen wir plötzlich Jonne Butterblums, wie er Blaubeeren sammelt. Wir schleichen uns an ihn heran, ziehen ihm seinen Beutel über den Kopf und dreschen ordentlich mit Knüppeln auf ihn ein, bis er sich nicht mehr bewegt.«
    »Aber ich habe ihm das Bein zertrümmert«, unterbrach Bonne. »Du schlägst ja eher wie ein Mädchen.«
    »Ach,«, höhnte Milo, »und den Arm hat er sich dann sicherlich beim Blaubeerpflücken gebrochen.«
    Bonne schnaubte wenig beeindruckt. »Ein Zufallstreffer.«
    »Vielleicht hast du Recht«, gab Milo zu bedenken, »aber vergiss nicht, dass es meine Laterne war, die ich durch Großmutter Butterblums Fenster geworfen habe. Deine ist auf dem Vordach gelandet und hätte bloß das Dach ein wenig angekokelt. Ich habe das Haus abgefackelt, und es ist mein Verdienst, dass die Alte jetzt für den Rest ihres Lebens in diesem Bollerwagen gezogen werden muss.«
    »Das Rückgrat hat sie sich nur gebrochen, weil sie aus dem Fenster gesprungen ist«, widersprach Bonne.
    »Das hat sie aber getan, um nicht bei lebendigem Leibe geröstet zu werden.«
    »Woher willst du das wissen?«, rief Bonne empört, »vielleicht hat sie sich nur wegen des Lärms erschreckt, oder sie ist schlafgewandelt.«
    »Seid still, ihr kleinen Teufel«, schrie Bocco Talis dazwischen.
    »Wir haben noch gar nichts von den Schafen erzählt«, bemerkte Milo. »Wir haben ihre Wolle mit Öl und Pech getränkt und vom Rand der Lichtung mit Brandpfeilen auf sie geschossen. So etwas sollte jeder mal gesehen haben. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie schnell diese Viecher werden können und wie weit sie noch rennen, obwohl sie wie Fackeln brennen. Das Feuerwerk beim Rübenfest ist im Vergleich dazu Kinderkram.«
    »Ruhe!«, schrie die Alte erneut, wobei ihr Schleier wie eine Gardine im Sturm hin und her wehte.
    »Ruhe! Ruhe!«, wiederholte die Krähe.
    »Ihr seid vielleicht keine Unschuldsknaben«, sagte Bocco Talis. »Wer ist das schon? Wir alle sind schon mal ein Stück …«, sie machte eine kleine Pause, »… oder auch ein Stück weiter vom Weg abgekommen. Aber Fakt ist, sie haben euch für ein Verbrechen gerichtet, dass ihr nicht begangen habt.«
    Milo schnaubte niedergeschlagen.
    »Was denn noch?«, fuhr die Hexe ihn an.
    »So ganz stimmt das nicht«, entfuhr es Milo.
    Bocco Talis schien in sich zusammenzufallen und starrte durch ihren Schleier auf den Halbling.
    Erst jetzt fiel Milo auf, dass Hagrim von seiner düsteren, klerikalen Untermalung abgelassen und einen fröhlichen Marsch angestimmt hatte.
    »Gestürzt ist die dämliche Rosi ohne unser Zutun, doch in Panik ist sie gekommen, weil Bonne ihr die Bluse aufgerissen hat, um zu sehen, was darunter ist. Sie konnte von Glück sagen, dass das Tau nur kurz war. So baumelte sie kopfüber vom Heuschober. Alles wäre gut gewesen, wenn sie nicht so geschrien hätte. Sie wollte einfach nicht aufhören. Sie kreischte und schrie unsere Namen. Bonne dachte, wir könnten sie ein bisschen beruhigen, indem er sie hin- und herschwenkte, aber das machte alles nur noch schlimmer. Dann wusste ich, was zu tun war. Ich gab ihr noch etwas mehr Schwung, setzte mein Messer an den Strick und passte den Moment ab, als sie über dem Ständer mit Forken und Sensen war. Es ist gar nicht so leicht, den richtigen Moment abzupassen, aber dann ging alles wie von selbst. Als ich sie aufgespießt dort unten liegen sah, wusste ich, dass ich etwas Großes geschaffen hatte und mein Leben nicht umsonst war.«
    Bocco Talis wirkte niedergeschlagen, irgendwie entmutigt. Doch Milo erkannte die Spinne in ihr, die in ihrem Netz der entflohenen Motte hinterher schaute und hoffte, das Licht würde sie zurückführen. Er musste ihr das letzte bisschen Hoffnung nehmen. Er musste einen Weg finden, sie endgültig davon zu überzeugen, dass sein Bruder und er nicht das waren, wonach sie dürstete. Nur wie bekam er das hin?
    In diesem Moment meldete sich Bonne zu Wort. Milos Bruder war nicht gerade derjenige, der ein glückliches Händchen dafür besaß, ein paar tröstende Worte zu schenken, eine Notlüge wasserdicht zu machen oder eine allumfassende Antwort auf eine bedeutsame Frage zu

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