Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
fast 60 Metern über der Wasserlinie, was die Sichtweite auf etwa 14 bis 15 Seemeilen, also fast 27 Kilometer, erhöhte.
Der Morgen des 3. Mai 1241 brach an, ein Samstag und der Tag, an dem die Kirche die Auffindung des wahren Kreuzes feierte. Nach acht Tagen auf See trennten die Prälaten nur noch einhundert Kilometer vom sicheren Hafen Civitavecchia. Schon am Abend würden sie sich in Sicherheit befinden. Doch im Morgendunst sichteten sich die beiden Geschwader zwischen den Inseln Montecristo und Giglio, die nur etwa 30 Seemeilen voneinander entfernt liegen. Ein unbemerktes Durchschlüpfen vor einer dwars laufenden Flotte war also unmöglich. Der Kampf begann um die neunte Stunde. Anfangs sah es für die kaiserlichen Galeeren nicht gut aus. Drei von ihnen – offenbar die Vorhut – wurden von den Genuesen geentert oder versenkt. Doch dann wendete sich das Blatt: Die vereinigten pisanisch-sizilischen Streitkräfte eroberten Schiff um Schiff der Genuesen, insgesamt zweiundzwanzig Einheiten. Drei genuesische Galeeren wurden in den Grund gebohrt. Viele Seeleute und Passagiere ertranken, darunter der Erzbischof von Besançon. Nur fünf Galeeren und einigen kleineren Schiffen gelang die Flucht zurück nach Genua.
Die spurlose Schlacht
Über die Vorgeschichte und den Verlauf dieser Seeschlacht in den Gewässern vor der tyrrhenischen Küste berichten nur wenige Quellen, und das auch noch überaus spärlich. Zunächst sind die
Annales Ianuenses
zu nennen, die «Genueser Jahrbücher». Dabei handelt es sich um Aufzeichnungen, die Jahr für Jahr von offiziell durch die Kommune beauftragten Schreibern abgefasst wurden. In öffentlichen Lesungen wurden deren Ausarbeitungen von der Gemeinde bestätigt. Sie schmückten das aus, an was man sich so gern erinnerte, und sahen nach besten Kräften über das hinweg, was man lieber mit dem Mantel des Schweigens bedecken wollte. So erscheint Kaiser Friedrich II. in den Annalen als ein hinterhältiger Zertrümmerer Genuas und der Kirche, der sich sogar erdreistete, Seeleute aus der Heimatstadt als Admirale dienstbar zu machen.
Der Stadtschreiber Bartholomäus, der Verfasser der genuesischen Annalen für diese Jahre, wurde bei der Schlachtbeschreibung erstaunlich einsilbig. Über die für die sieggewohnte eigene Flotte so unrühmlichen Ereignisse geht er kurz hinweg: «Und als sie zur unglücklichen Stunde ihre Fahrt fortsetzten und in den Gewässern der Pisaner oberhalb Zigi waren, drangen die siebenundzwanzig Galeeren des genannten Kaisers, deren Admiral Andreolus, der Sohn des Ansaldus de Mari, war, sehr viele Galeeren und Galeotten der Pisaner und andere Sagittien der Savonesen, gegen die unseren vor und behielten durch ein unglückseliges Geschick in dem begonnenen Kampf die Oberhand.» Hierauf folgen Berichte über das schlimme Schicksal der Gefangenen, von der Seeschlacht selbst hingegen ist mit keinem weiteren Wort die Rede.[ 8 ]
Noch spärlicher berichtet der Chronist Richard von San Germano (um 1165–1244), der als ein öffentlicher Notar in den mittelitalienischen Städten San Germano und Montecassino in den Jahren 1186 bis 1232 diente; darüber hinaus war er wohl seit 1221 auch in der Finanzverwaltung Kaiser Friedrichs II. tätig. Magister Richard verfasste seine Chronik des Königreichs Sizilien zwischen 1189 und 1243 mit überaus trockener Sachlichkeit. Nur einen Halbsatz ist es ihm wert, dass eine Seeschlacht zwischen kaiserlichen und Genueser Galeeren stattgefunden und man die gefangenen Prälaten nach Pisa gebracht habe.[ 9 ]
Ganz anders und etwas eigentümlich sah man die Sache aus der Entfernung. Im Benediktinerkloster Saint Albans in der Nähe von London lebten und schrieben die Mönche Roger von Wendover (gest. 1236) und Matthaeus Paris (um 1200–1259). Ihre eng aufeinander bezogenen Werke gehören zu den bedeutendsten Geschichtswerken des europäischen Hochmittelalters. Matthaeus berichtet in seiner Chronik über die Seeschlacht von Montecristo: «Der erwähnte Heinrich also gehorchte dem väterlichen Befehl und schickte den Genuesen, welche unbesorgt die Legaten und Prälaten übersetzten, zwanzig wohlbemannte, neue und starke Galeeren, welche der Admiral Stollius, der erfahrenste unter den Seeleuten, befehligte. Und nach einem sehr blutigen Kampf besiegten die Pisaner, welche unter dem besonderen Befehl Heinrichs standen, mit dem bereits genannten Stollius, der wie ein einschlagender Blitz zum Kampf heranfuhr, die Genuesen.»[ 10 ]
Matthaeus erfindet
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