Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
wusste die Flotte endlich Bescheid:
England-expects-that-every-man-will-do-his-d-u-t-y – England erwartet, dass jeder Mann seine Pflicht tun wird.
Und beinahe wären sogar noch mehr Flaggen nötig gewesen, denn gemäß der ursprünglichen Idee sollte es beginnen mit
Nelson confides – Nelson vertraut.
Der Admiral wollte dann doch lieber
England
statt
Nelson.
Und für
confides
gab es keine Flaggenkombinationen, das hätte als Einzelbuchstaben gesetzt werden müssen, wie schon das Wort
duty.
Da es schnell gehen sollte, riet der Flaggenoffizier John Pasco zu
expects.
Dafür gab es nämlich eine Kombination nach Sir Home Pophams «Telegraphic Signals of Marine Vocabulary», einem erst fünf Jahre zuvor in der Royal Navy eingeführten Codesystem, das erstmalig mit Hilfe von neun deutlich unterscheidbaren Flaggen das Absetzen eines regelrechten Alphabets ermöglichte. Mit diesem in der englischen Geschichte wohl berühmtesten Flaggensignal, das am 21. Oktober 1805 kurz vor Mittag am Mizzen-Mast, zu Deutsch: Kreuz- oder Besanmast, der
HMS Victory
wehte, gab Admiral Horatio Nelson den Befehl an seine Flotte zum Angriff.[ 1 ]
Die
HMS Victory
, ein riesiger, schon etwas über dreißig Jahre alter Dreidecker, diente Admiral Horatio Nelson als Flaggschiff eines Geschwaders von 27 britischen Linienschiffen und 4 Fregatten, das er gerade gegen einen vereinten französisch-spanischen Verband von 33 Linienschiffenund 7 Fregatten führte. Doch wirklich notwendig war das Signal nicht, denn die Details des Schlachtplans waren schon am Abend zuvor mit den Schiffskapitänen besprochen worden. Cuthbert Collingwood, Vizeadmiral und Befehlshaber des zweiten Geschwaders auf der
HMS Royal Sovereign
, brummte seine Umgebung an, Nelson solle gefälligst aufhören, Signale zu geben, schließlich wüssten alle ganz genau, was zu tun sei.[ 2 ]
In völliger, geradezu gespenstischer Ruhe glitten die Schiffe von einer leichten Westnordwest-Brise getrieben vorwärts. Wie in Zeitlupe näherten sie sich der feindlichen Linie. Der Wind war so schwach, dass die großen Linienschiffe kaum dem Ruder gehorchten. Den halben Tag hatten sie schon gebraucht, um sich überhaupt nur der französisch-spanischen Flotte anzunähern. Doch es war die Ruhe vor dem Sturm, und das gleich in doppelter Hinsicht: Nicht nur, dass kurz darauf die größte Seeschlacht toben sollte, die seit gut einem Jahrhundert geschlagen wurde, sondern kurz nach dem Gemetzel, aus dem Nelson siegreich hervorging, entlud sich auch noch ein über mehrere Tage anhaltender Orkan, dem zahlreiche Schiffe zum Opfer fielen.[ 3 ]
Alle Ereignisse auf einen Blick: Joseph Mallord William Turners (1775–1851) zwischen 1822–1824 geschaffenes Gemälde «The Battle of Trafalgar» zeigt mehrere Ereignisse der Schlacht zugleich, die allerdings zu unterschiedlichen Zeiten geschahen: An der Takelage der
HMS Victory
weht noch Nelsons berühmtes Flaggensignal «England expects that every man will do his duty» von 11:45 Uhr, obwohl es kurz darauf durch «Engage the enemy more closely» ersetzt worden war, die Spitze des Fockmastes stürzt um 13:00 Uhr, im Hintergrund brennt die französische
Achille
am späten Nachmittag, und im Vordergrund sinkt am darauffolgenden Tag die
Redoutable
, von der der Todesschuss auf Nelson ausging.
Die Royal Navy
Nelsons großer Sieg und die bis zur Verzückung reichende Verehrung für ihn in England ist ohne seinen großen französischen Gegenspieler nicht denkbar: Napoleon Bonaparte. Der korsische Emporkömmling war im Gefolge der Großen Französischen Revolution in einer sagenhaften Karriere zunächst zum General, zum Ersten Konsul der Republik und 1804 sogar zum Kaiser der Franzosen aufgestiegen. Als Oberbefehlshaber seiner Heere hatte Napoleon I. in Europa so ziemlich alles durcheinandergebracht, was seit Jahrhunderten unumstößlich schien: das Heilige Römische Reich – erledigt, das Papsttum als politische Kraft – erledigt, die alten Seemächte Genua und Venedig – erledigt. Und weitere Neuordnungspläne sollten folgen. Die Ikonographie seines Kaiserreiches zeigte der Welt, was der Korse und seine Anhänger eigentlich vorhatten: Ein neues römisches Weltreich im französischen Gewand sollte entstehen.
Aber es gab eine Macht, die sich ebenfalls anschickte, ein Weltreich zu erobern: England. Als das kaiserliche Frankreich seine Hände nach einer weltumspannenden Hegemonie auszustrecken begann, bedrohte es damitautomatisch das seinerseits wachsende englische
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