Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
selbst bei durchgehaltener Höchstgeschwindigkeit etwa eine Viertelstunde dauern würde, zu nutzen, wenn es ihnen gelang, durch einen «lucky punch», einen oder gar mehrere Glückstreffer auf Kommando-Brücken oder Munitionskammern, Unordnung in die japanische Schlachtreihe zu bringen und feindliche Einheiten kampfkraftmindernd zu beschädigen, so bestand Hoffnung für das «2. Pazifische Geschwader», den Durchbruch nach Wladiwostok doch noch ohne allzu schwere eigene Verluste zu erzwingen. Die Anspannung, als Togo um kurz vor 14 Uhr die lebensgefährliche Schwenkung einleitete, lässt sich dramatischer nicht vorstellen. Denn die Russen, denen sich so unverhofft eine traumhaft vielversprechende Eröffnung der Schlacht darbot, befanden sich ihrerseits noch auf dem Weg zurück in die Gefechtsformation, die Geschütze der beiden Schlussschiffe der 1. Division,
Borodino
und
Orel
, waren noch maskiert durch die schweren Einheiten der 2. Division, die zwischen ihnen und dem Feind lagen. Es ging buchstäblich um Sekunden. Wer würde das Manöver zur Herstellung der Gefechtsformation eher beenden?
Rojestwenski wartete nicht bis dahin und erteilt um 14:05 Uhr seinen Schiffen den Feuerbefehl. Die schweren 30,5-Zentimeter-Geschütze von
Suworow
und
Alexander III.
brüllen auf und nehmen die feindlichen Schlachtschiffe auf eine Entfernung von knapp 9000 Metern unter Feuer, von denen zu diesem Zeitpunkt lediglich Togos Flaggschiff
Mikasa
und die ihr folgende
Shikishima
die Schwenkung vollendet haben. Beide Schiffe erhalten schwere Treffer, doch die minderwertigen russischen Granaten krepieren entweder gar nicht oder nur unzulänglich. Dennoch, die ersten Toten der Schlacht sind auf japanischer Seite zu beklagen, ehe Togo um 14:08 Uhr seinerseits den Feuerbefehl gibt. Die Entfernung zwischen den beiden Flotten beträgt zu diesem Zeitpunkt kaum mehr 7000 Meter. Sekunden später bricht über die russischen Seeleute das Inferno herein.[ 36 ]
Das Feuer der japanischen Schlachtschiffe, die in mustergültiger Formation auf leicht konvergierendem Parallelkurs zu ihrem russischen Gegner fahren, konzentriert sich auf die Führungsschiffe der 1. und 2. Division,
Suworow
und
Osljabja.
Es erzielt sofort schwerste Treffer. Schon zwanzig Minuten nach Gefechtsbeginn rät der Kommandant der
Suworow
, Kapitän Ignatius, dem Flotten-Kommandanten, um einige Strich nach steuerbord zu drehen: «Euer Exzellenz, wir müssen den Kurs ändern! Sie haben sich schon zu gut eingeschossen. Sie braten uns nur so!»Rojestwenski antwortet kaltblütig: «Warten Sie! Wir haben uns doch auch eingeschossen!»[ 37 ] Womit er nicht Unrecht hat: Das erste Schiff, das in der Schlacht seine Position aufgeben muss, ist die japanische
Asama
, die um 14:27 Uhr mit zerschossener Ruderanlage in Feuerlee, also die dem Feind abgewandte Seite der Schlachtreihe, ausschert. Togos Flaggschiff
Mikasa
hat zu diesem Zeitpunkt bereits zehn schwere Treffer erhalten, wenig später detoniert eine Granate auf der achteren Kommandobrücke. Doch die Wirkung der russischen Geschosse ist beschränkt, während die japanischen Granaten grauenvolle Zerstörungen hervorrufen. Kaum eine Stunde nach Gefechtsbeginn versinkt das Führungsschiff der russischen 2. Division, die
Osljabja
, in den Fluten der Straße von Tsushima.
Wenig später beschädigen Treffer die Ruderanlage der bereits schwer gezeichneten
Suworow
, so dass sie scharf nach steuerbord aus der Gefechtslinie ausbricht. Die Führung des russischen Geschwaders übernimmt damit die ihm folgende
Alexander III.
unter Kapitän Buchwostow, jenem Kommandanten, der vor der Abreise aus Libau beim feierlichen Galadiner an Bord seines Schiffes so pessimistisch in die Zukunft geblickt hatte: die Fahrt des «2. Pazifischen Geschwaders» sei sinn- und hoffnungslos, doch eines könne er garantieren: man werde anständig zu sterben wissen. In den folgenden Stunden stellte er unter Beweis, dass er damals keine leeren Phrasen gedroschen hatte.
Der Hölle entkommen: Die
Oleg
, ein Geschützter Kreuzer der Bogatyr-Klasse, wurde kurz nach Fertigstellung im Herbst 1904 Teil des in den Pazifik entsandten Geschwaders. Aus der Seeschlacht bei Tsushima konnte das Schiff gemeinsam mit den Einheiten
Schemtschug
und
Aurora
entkommen und wurde in Manila von US-Amerikanern interniert. Deutlich kann man auf dem Photo, das während der Internierung entstand, die durchschlagende Wirkung der japanischen Granaten erkennen.
Nach kaum einer Stunde war die
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