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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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das letzte Tageslicht in breiten Bahnen, die das Dachgestänge voneinander schied. Am Boden
     und in halber Höhe der Wände lag der Schatten davon wie das Gitterwerk eines Käfigs. Das Rund der Jurte war rasch überblickt.
     In Dampignaks Gästezelt lagen dunkle Teppiche aus Kaschgar mehrfach übereinander. Die Feuerstelle war wie überall in der Mitte,
     sauber gefegt, fest gestampft und von Rundhölzern umgrenzt. Das dreibeinige Eisengestell war auch da, und ein Feuerchen brannte
     darin. Zwei Felle gegenüber dem Eingang deuteten die Schlafplätze an. Das war die Einrichtung und mehr brauchte es nicht.
    Christian und Großer-Tiger wagten kaum, auf die schönen Teppiche zu treten, und gleich nach dem ersten Schritt blieben sie
     stehen, denn sie sahen, dass auf jedem der beiden Felle ein blauer mongolischer Mantel lag, dazu eine dunkelrote Schärpe,
     eine gestickte Tasche mit was drin, ein paar Reiterstiefel und ein neuer herrlicher Seidenhut mit grauem Fuchsfell.
    Hinter Christian und Großer-Tiger stand Mondschein und freute sich. Er grinste von einem Ohr zum andern, aber als Christian
     sich umdrehte, wurde Mondschein ernst, und schon hielt er einen blauseidenen Haddak in den Händen und kniete vor Christian.
    »Nimm«, bat er, »diese minderwertigen Dinge von deinem Freund Mondschein.«
    Da kniete auch Christian nieder, nahm den Haddak entgegen und führte ihn zur Stirn, wie er es gelernt hatte.
    Während er »Zehntausendfachen Dank für himmelhohe Güte«, murmelte, fischte er ängstlich in der Tasche und war glücklich, als
     er das schöne blassblaue Seidentuch von Siebenstern fand, das er Mondschein bot.
    »Es ist für uns beide«, sagte Christian und legte den Haddak geschwind auch über die Hände von Großer-Tiger, »wir haben nämlich
     bloß einen.«
    Mondschein lächelte und er sagte: »Ich bin so großer Gabe unwürdig, ihr beschämt mich, ihr Heldensöhne.« Dann kriegte auch
     Großer-Tiger einen Haddak von ihm, wie der Brauch es verlangte.
    »Ich gehe jetzt«, sagte Mondschein, »und ich wünsche Ruhe und Behaglichkeit.«
    Als Mondschein das Zelt verlassen hatte, probierten Christian und Großer-Tiger zuallererst die Stiefel.
    »Viel zu groß«, sagte Christian.
    »Nein, sie passen«, sagte Großer-Tiger, »du musst die Strümpfe dazu anziehen.«
    »Welche Strümpfe?«
    »Die da«, sagte Großer-Tiger und zeigte auf zwei dicke Filzstrümpfe, die aussahen, wie ein zweites Paar Stiefel. Man musste
     sie aber nur in die Lederstiefel stecken, die dann enger wurden, und auf einmal passten die Füße hinein und hatten schön warm.
     Über die gemusterten Schäfte ragten die rotgefassten Enden der Filzstrümpfe ein Stückchen hinaus. So hatte man es bequem und
     konnte sich beim besten Willen nicht wundscheuern. Nachher wollte Christian den Mantel probieren, aber er ließ ihn schnell
     fahren, als draußen ein gefährliches Knurren laut wurde.
    »Hund!«, rief Großer-Tiger.
    »Sei friedlich«, rief Christian und lief zur Türe.
    Als er sie aufstieß, stand der Pudel auf dem Absatz des Sockels, fletschte die Zähne und sah ganz so aus, als wollte er sich
     auf die beiden Männer stürzen, die in einiger Entfernung standen und sich fürchteten.
    »Hund!«, rief Christian und fasste ihn in die schwarzen Locken. »Hund, komm her, ich will dir deinen Platz zeigen.« Er führte
     ihn die zwei Stufen hinunter und blieb seitwärts mit ihm stehen. »Er ist sanft«, erklärte Christian, »bitte, tretet unbesorgt
     ein.«
    Da gingen die Männer ins Zelt, und Großer-Tiger nahm ihnen die Ledersäcke ab, die sie brachten, die Sättel, die Tasche von
     Christian mit dem Kompass darin und die Pferdedecken. Eine davon gab er gleich Christian, damit er sie für den Pudel neben
     den Stufen ausbreitete.
    »Hund, bleib hier!«, befahl Christian streng.
    Dann ging er ins Zelt zurück.
    »Meinst du«, fragte Christian, als die Männer gegangen waren, »ob wir bald was zu essen kriegen?«
    »Hast du Hunger?«, fragte Großer-Tiger.
    »Der Hund hat auch Hunger«, teilte Christian mit, »er gähnte wieder so laut.«
    »Keine Sorge deswegen«, sagte Großer-Tiger, und er öffnete die Ledersäcke.
    »Den Käse heben wir für unterwegs auf, aber das Fleisch geben wir ihm.«
    Also kriegte der Pudel zwei große Stücke Dörrfleisch, und er fraß sie augenblicklich; er schluckte sie nur so hinunter. Die
     Mongolen, die vom Dach der Kasematte herüberschauten, und die vielen, die ringsumher auf den Mauern, auf dem Turm und auf
    

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