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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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unbemerkt hereingebrochen. und die Jurte verdunkelte sich zusehends. In dem Rauchloch glänzte ein rundes
     Stück Abendhimmel, aber es war ein müder und rasch verlöschender Glanz. Nacheinander kamen die großen und die kleinen Sterne,
     und bald traten die beiden Männer wieder ins Zelt.
    »Zehntausendfachen Dank«, sagte Christian, »für ein herrliches Mahl.«
    »Ihr habt viel zu viel Güte an uns verschwendet«, sagte Großer-Tiger.
    Die Männer verneigten sich stumm und nahmen kniend die Platten, die ihnen Christian und Großer-Tiger zurückreichten. »Schlafen,
     gut schlafen«, wünschten die Männer, und einer zogan dem Strick, damit die Filzklappe über das Rauchloch fiel. Nur ein winziges Stück Himmel blieb frei, es war schmal wie eine
     Mondsichel. Bevor sie sich schlafen legten, gingen Christian und Großer-Tiger noch einmal vor das Zelt. Am Fuß der Treppe
     lag der Pudel und hatte eine Wasserschüssel und einen Fressnapf neben sich stehen. Er sprang fröhlich auf.
    »Geht es dir gut?«, fragte Christian.
    »Bist du auch ein geehrter Gast?«, fragte Großer-Tiger, und kraulte ihm den Kopf. Dann schauten sie auf die nachtdunklen Mauern
     und auf den Bergfried, auf dem ein Mann über die Brüstung lehnte. Unten im Hof scharrten die Pferde, man hörte die Schritte
     der Wachen, und aus der Ferne kam Wolfsgeheul.
    »Die müssen sich verlaufen haben«, sagte Christian.
    »Wie wir«, sagte Großer-Tiger.
    Christian seufzte, und er wartete darauf, dass Großer-Tiger »Es gibt keine Hilfe« sagen würde, aber Großer-Tiger streichelte
     den Pudel.
    »Kwi-Schan«, sagte er, »glaubst du, dass alle so sind?«
    »Ich möchte der Fürst nicht sein«, erwiderte Christian ausweichend.
    »Vielleicht«, meinte Großer-Tiger, »hat Naidang recht, und er ist nur ein unglücklicher Mensch.«
    Sie gingen ins Zelt zurück, und als sie sich mit den alten Mänteln zugedeckt hatten, denn die neuen schienen ihnen zu neu
     und kostbar dazu, schliefen sie ein. Sie waren zu müde, um weiter nachzudenken, sie waren in einer Räuberburg, sie hatten
     gegessen, sie hatten getrunken, und jetzt schliefen sie.
    Mondschein, der eine Weile später die Türe öffnete und hineinschaute, schloss sie sachte wieder und ging zu Dampignak hinüber.
    »Sie schlafen schon«, sagte er.
    Am nächsten Morgen kamen die beiden Männer mit den rotseidenen Hüten frühzeitig. Es war noch dunkel, und sie machten Feuer
     und brachten das Frühstück. Für die Milch hatten sie diesmal eine größere Kanne gewählt, und sie entschuldigten sich wegen
     der Unachtsamkeit am Abend vorher. Sie brachten auch eine zweite Kanne, in der Wasser war, und weil zweifeuchte heiße Tücher und zwei zum Abtrocknen dabei lagen, erkannten Christian und Großer-Tiger, was gemeint war. Aber die
     Seife benützten sie deswegen doch nicht.
    Sie wischten mit den feuchten Tüchern über Gesicht und Hände, und sie trockneten sich ab. Dann sagten sie »Bolna«, und die
     Männer nickten verständnisvoll.
    Als sie gegangen waren, trat Mondschein durch die Tür, und weil er gerade dazukam, wie Christian sich die Schärpe um den Bauch
     wickelte und Großer-Tiger auch damit anfing, sagte er: »So geht es nicht gut, anders geht es besser.«
    »Wie ist anders, befehlender Herr?«, fragte Christian.
    »Leiht uns Euer Licht in dieser schwierigen Sache«, bat Großer-Tiger.
    »Zu zweit geht es besser«, erklärte Mondschein, und er befahl Christian, das eine Ende der Schärpe an sich zu pressen.
    »Jetzt dreh dich«, sagte er.
    »Nur immer weiter«, befahl er, und während Christian sich langsam auf der Stelle drehte, ließ Mondschein den breiten Seidengürtel
     straff durch die Hände gleiten.
    Da legte er sich in schöne enge Falten, und zum Schluss schob Mondschein das Ende von oben hinein. »Das hält«, sagte er befriedigt,
     und dann kam Großer-Tiger dran. Als beide fertig waren und als sie die neuen Hüte aufgesetzt hatten, sagte Mondschein: »Wir
     wollen die Burg betrachten. Sie ist für die Dauer gemacht, aber was ist das schon? Vielleicht verlassen wir sie bald.«
    Miteinander traten sie vor das Zelt. Der lichte Morgenhimmel verhieß einen strahlenden Tag. Noch stand der Bergfried im Dunkel,
     und der Mann, der sich über die Brüstung lehnte, war ein körperloser Schatten; doch schon wurden die Ränder der Festungsmauern
     hell, und durch die Schießscharten im Osten drang das Licht.
    Der Pudel sprang fröhlich auf und begleitete Christian und Großer-Tiger, als sie mit

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