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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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den Felsrändern standen, lachten, aber einige schüttelten unwillig die Köpfe, als ob sie beleidigt wären.
    »Nicht nötig«, riefen sie.
    Da ging Christian wieder ins Zelt und sagte: »Mir scheint, wir haben etwas falsch gemacht.«
    »Es gibt keine Hilfe«, tröstete Großer-Tiger, »immer alles richtig machen geht nicht. Jetzt wollen wir die Mäntel probieren.«
    Die Mäntel waren außen blau, und es schien, als ob der Stoff aus Seide wäre, denn er schimmerte matt. Innen war weißes Lammfell,
     und die Ränder wurden von Goldborten eingefasst. Der hochstehende Kragen war gelb. Die Mäntel reichten bis auf die Stiefel,
     aber als Christian und Großer-Tiger sich mühsam die roten Schärpen um den Bauch gewickelt hatten, waren auch die Mäntel etwas
     höher gerutscht und hatten genau die richtige Länge.
    »Jetzt kommt die Tasche«, sagte Christian und stopfte sie von oben in den Gürtel. Sie war aus grüner Seide mit eingewebten
     Glückszeichen und einem roten Rand. In der Mitte war ein Schlitz, und als Christian hineinlangte, war ein silbernes Schnupffläschchen
     darin.
    »Sollen wir?«, fragte Christian.
    »Wir sollen«, sagte Großer-Tiger.
    Also probierten sie den Schnupftabak, der in den Fläschchen war.
    »Dieses Nasenpulver   …«, sagte Großer-Tiger; – aber dann sagte er nichts mehr, denn die Tränen traten ihm in die Augen, die Nase hob sich von allein,
     und Christian, der über Großer-Tiger lachen und ihm versichern wollte, wie komisch er aussehe, kam auch nicht dazu. Miteinander
     mussten sie viele Male und schrecklich niesen, und der Pudel draußen bellte.
    »Wozu soll das gut sein?«, fragte Großer-Tiger und setzte sich erschöpft.
    »Höchstens für die Schule«, sagte Christian; »ich will es für die Rechenstunde aufbewahren.«
    Als sie sich erholt hatten, setzte Christian den Fellhut auf, und Großer-Tiger setzte ihn auch auf, und da waren sie auf einmal
     richtige Mongolen. Sie steckten die Silberschalen in den Mantel.
    »Wie Bator«, rief Christian, »du siehst wie Bator aus.«
    »Deine Ama wird sich wundern«, sagte Großer-Tiger, und er sah nach den letzten Sonnenstrahlen, wie sie die Dachstangen überglänzten,
     und den Ruß, der in langen Fäden daranhing.
    »Heute ist der erste Tag des neuen Monds«, fuhr Großer-Tiger fort, »und wir wollten doch nur einen Drachen steigen lassen.«
    »Statt in der Schule«, sagte Christian, »sitzen wir in einer Räuberburg, und ich habe nicht geglaubt, dass es so etwas noch
     gäbe.«
    »Warum er den Ring nicht haben wollte?«, sagte Großer-Tiger nachdenklich, »er gehört doch ihm.«
    »Das müssen wir überlegen«, schlug Christian vor, aber sie kamen nicht dazu, denn die Tür öffnete sich, und zwei Männer traten
     ein. Sie trugen runde Hüte mit einem Korallenknopf, von dem rote Seidenschnüre über den ganzen Hut fielen. In den ausgestreckten
     Handflächen hielten sie Silberplatten. Sie beugten das Knie, und sie sagten: »Bitte esst Essen in Frieden.«
    Christian und Großer-Tiger nahmen die Platten entgegen, aber es kamen noch welche und nachher noch einmal, und Großer-Tiger
     sagte: »Wir können nicht jeder ein ganzes Lamm aufessen.«
    »Ihr seid unseres Fürsten geehrte Gäste«, sagten die Männer, »esst, so viel ihr könnt, wir kommen wieder.«
    Da aßen Christian und Großer-Tiger, aber sie sahen mit einem Augenaufschlag, dass sie niemals mit den vielen Speisen fertig
     werden konnten, mit dem Lamm schon gar nicht und noch weniger mit dem gekochten Hammel- und Antilopenfleisch. Von den Krapfen
     nahm jeder nur ein Stück, obwohl sie noch ganz frisch waren und noch warm, und von dem Käseberg brachen sie nur die Spitze
     ab. Dafür tranken sie alle Milch, die da war, und sie schmeckte süß und säuerlich zugleich. Nach einer Weile trat einer der
     beiden Männer ein und füllte nach.
    »Ene ju beino?«, fragte Christian.
    »Es ist Stutenmilch«, entgegnete der Mann, und die roten Seidenschnüre des Zeremonienhutes fielen nach vorn, weil er sich
     bei jeder Antwort höflich verneigte. »Jetzt sollt ihr aber mit dem Essen beginnen«, mahnte der Mann.
    Großer-Tiger sah Christian an, und Christian sah Großer-Tiger an, aber da war der Mann mit dem Zeremonienhut verschwunden.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte Christian.
    »Wir stehen wie die Ameisen vor dem Wu-Schan-Gebirge«, sagte Großer-Tiger.
    »Es ist nicht mehr hell«, tröstete Christian schlau, »da sieht man nicht, wie viel wir übrig lassen.«
    Die Dämmerung war

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