Großer-Tiger und Christian
sein Geschoss
ist wie ein Blitz aus den Wolken.«
»Der arme Esel«, sagte Christian.
»Aber die andern?«, fragte Großer-Tiger, »warum haben die geschossen?«
»Man muss den Feind erschrecken«, belehrte ihn Kao-Scheng, »schon in den sechs Kampfplänen ist davon die Rede, und die goldene
Befehlsrolle des Krieges will es auch so haben.«
»Darin sind wir unbewandert«, gab Großer-Tiger zu.
»Lasst mich nur machen«, sagte Kao-Scheng zuversichtlich.
Gewaltig wie ein Kriegsgott stampfte er auf die Pferde zu, die der Mann brachte. Er ließ sich den Steigbügel halten, und es
war notwendig, denn die Stiefel passten kaum hinein.
»Mein Gewehr«, befahl Kao-Scheng mit Herrschermiene. Der Mann brachte es eilfertig. Man sah, wie beeindruckt er von den Ereignissen
war. So was kam an der Grenze nicht alle Tage vor. Kao-Scheng ritt im Galopp bis zu dem gewundenen Kiesbett, das aus Fallende-Wand
kam.
Zwanzig Schritte vorher zeigte er auf den festen Boden, in dem die Reifenspuren des Lastwagens oberflächlich eingedrückt waren.
»Hier fuhren die Verbrecher«, sagte Kao-Scheng.
»Wenn man von hier nach Süden fährt«, fragte Großer-Tiger, »ist da der Boden noch lange so glatt und hart?«
»Noch sehr lange«, versicherte Kao-Scheng, »deswegen war derKarawanenweg so beliebt. Achtzig Li geht es in einem fort so weiter bis zu einer Kiesbank, und nachher gibt es kein Hindernis
mehr bis Hsing-Hsing-Hsia.«
»Aha!«, sagte Großer-Tiger, der an Dämbit dachte und wie er für Grünmantel Kies geschaufelt hatte.
»Schade, dass wir keinen Spaten haben«, sagte Christian.
Kao-Scheng wunderte sich. »Wozu einen Spaten?«, fragte er.
»Man könnte einen Graben machen«, erklärte Großer-Tiger, »in dem der Wagen steckenbleibt.«
»Ich begreife«, sagte Kao-Scheng, »du meinst sozusagen eine Autofalle. Nun, nun, keine Besorgnis deswegen. Wir haben Kasim,
der in die Reifen schießt, dass es donnert.«
Er bog vorsichtig ein Stückweit nach Süden aus, und man sah seine vier Männer bloß aus der Ferne. Sie lagen auf den Hügeln
in Rufweite voneinander, aber Kasim war der vorderste. Kao-Scheng winkte ihnen ermunternd zu, und dann fielen die Pferde in
Schritt. Das Tal war überquert. Es ging die Berglehne hinauf, die den Rücken von Fallende-Wand bildete. Die Höhe lag im Sonnenschein,
aber als die Reiter oben anlangten, stiegen die Schatten der Felswand bereits an der andern Talseite empor.
»Dürfen wir«, bat Großer-Tiger, »den befehlenden Herrn Hauptmann bitten, mit den Pferden hier zu warten?«
»Gern«, antwortete Kao-Scheng, »die Stiefel hindern mich leider, an der Erkundung teilzunehmen. – Seid vorsichtig«, mahnte
er, »damit euch die Schurken nicht entdecken.«
Christian und Großer-Tiger gingen aufrecht, solange sie ihren Schatten vor sich hergehen sahen. Dann legten sie sich nieder
und krochen bis an den Rand der Felswand.
Tief unter sich sahen sie das Feuer glimmen, neben dem der kleine Dicke saß und von Zeit zu Zeit einen Ast nachlegte. Der
Rauch stieg empor, aber er verwehte, und nur der Geruch von verbranntem Holz drang zu ihnen herauf. Schlangenfrühling und
Grünmantel waren nicht zu sehen. Dafür stand jenseits des Bachs der Wagen, und Christian und Großer-Tiger freuten sich, als
ob sie einen alten Bekannten zu Gesicht kriegten. Er stand auf dem Streifen festen Bodens, der sich vom Taleingang herunterhalb einer Felsbarriere entlangzog. Man sah die Räderspuren und eine trichterähnliche Grube, die vom Wenden kam. Die
Ladefläche war mit Kanistern eben voll bepackt; die Schutzbretter waren geschlossen, die Motorhaube war zu. Der Wagen stand
abfahrbereit.
»Ob Grünmantel in der Höhle ist?«, fragte Christian leise.
»Wozu hat er die Kanne Benzin geholt?«, fragte Großer-Tiger.
Sie schwiegen, weil es auf beide Fragen keine Antwort gab. Plötzlich öffnete sich die Tür des Führerhauses, und Grünmantel
stieg heraus. Schlangenfrühling folgte nach, denn der Wagen stand so dicht an der Felswand, dass die andere Tür nicht gut
aufgegangen wäre. Er zerrte eine Schaufel und eine Spitzhacke seitlich heraus. Grünmantel holte verschiedene Werkzeuge aus
der Kiste unter dem Führersitz. Nachher kletterte er auf den Wagen. Schlangenfrühling kam hilfsbereit gelaufen, aber auf einen
Wink Grünmantels blieb er unten.
Auf der Ladefläche standen die Kanister aus Ollon-Torre höher wie sonst in Reihen nebeneinander. Fast zur Hälfte ragten sie
über die
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