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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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und fragte ihn, wie er heiße. Als er es erfahren hatte, sagte er, dass er Kompass-Berg für
     einen seltenen und sehr schönen Namen halte.
    »Dieser ist Großer-Tiger«, stellte Christian vor, »und er ist mein Freund.«
    »Aha!«, sprach der jüngere der beiden Männer, »jetzt kenne ich euch beide. Ich bin der Sunit-König, und neben mir sitzt mein
     älterer Vetter. Er ist böse auf Kompass-Berg, weil er den Daschior ins Zelt mitgebracht hat. Das darf man nicht tun.«
    »Es geschah aus Unwissenheit und wegen der Hunde«, entschuldigte sich Christian, und er warf den Bambusknüppel mit der Lederschlaufe
     daran schnell hinter sich ins Freie.
    »Nirgends ist eine Befürchtung«, sagte der Sunit-Wang. »Wir haben keine Hunde bei uns, denn wir gehen morgen auf die Wolfsjagd.«
    »Braucht man da keine Hunde?«, fragte Großer-Tiger verwundert.
    »Wir Mongolen jagen den Wolf ohne Hund«, erklärte der Sunit-Wang. »Setzt euch und trinkt eine Schale Tee mit uns.«
    »Wir wagen es nicht«, murmelten Großer-Tiger und Christian; aber dann setzten sie sich, wie sich das gehörte, auf die rechte
     Seite und nahe beim Zeltausgang.
    Als er dieses artige Benehmen sah, wurde auch der alte Vetterdes Königs wieder freundlich. Er sagte, man könne von Fremden nicht immer das Beste annehmen; er fügte dann aber hinzu, dass
     es zum Glück auch Ausnahmen gebe, und schließlich stand er auf und führte Großer-Tiger und Christian auf den Ehrensitz an
     die linke Seite des Königs. Er selbst setzte sich rechts und bestand darauf, dass es so bleiben müsse. Der König und sein
     Vetter tranken Tee aus Schalen, die aus Wurzelholz gedreht und innen mit Silber ausgeschlagen waren. Als sie merkten, dass
     Christian und Großer-Tiger keine Trinkgefäße bei sich hatten, ließ der alte Vetter zwei Schalen bringen. Dann unterhielten
     sie sich über die bevorstehende Reise nach Sinkiang, und Christian sollte von dem Leben in Europa berichten. Aber er wusste
     nicht mehr davon als der Sunit-König, und viel weniger als der alte Vetter, der in Peking studiert hatte und sehr klug war.
    »Wir sind beide in Peking geboren«, sagte Großer-Tiger entschuldigend, »und das Große-Wasser haben wir noch nie gesehen. Wir
     wissen wenig von der Welt.«
    »Wir sind vor vier Tagen zum ersten Mal mit der Eisenbahn gefahren«, gestand Christian, »und es ist schlecht ausgegangen.«
    Der Sunit-König sagte: »Nein, es ist gut ausgegangen, denn ihr dürft jetzt das Grasland und die Wüste sehen. Nirgends in der
     Welt ist das Leben so schön wie hier.«
    »Glück meint das auch«, berichtete Großer-Tiger; »er sagt, die Mongolei sei wie das Meer, man habe immer Heimweh danach.«
    »Wer ist dieser Mann, der Glück heißt?«, fragte der Sunit-Wang, »und wo kommt er her?«
    Großer-Tiger und Christian erzählten, was sie wussten. Der Sunit-Wang hörte aufmerksam zu und wollte alles genau wissen, und
     wenn ihm etwas unklar schien, fragte er sorgfältig.
    »Es gibt Millionen Menschen in China, die Glück heißen«, meinte der alte Vetter, »ich sehe nirgends eine wirkliche Befürchtung.«
    Aber der Wang gab sich damit nicht zufrieden.
    »Spricht dieses Stück Mensch mongolisch?«, fragte er.
    »Ich glaube, es spricht diese Sprache«, antwortete Christian.
    »Dann«, sagte der Wang zu seinem Vetter, »werde ich Mondschein fragen; er kommt morgen früh, bevor die Jagd beginnt.« Christian
     stieß Großer-Tiger heimlich an.
    »Wir müssen jetzt gehen«, sagte Großer-Tiger schnell, »und wir danken für unverdiente Gastfreundschaft.«
    »Mein Kind«, sprach der alte Vetter, »die Gastfreundschaft ist im Grasland etwas, das keiner Erwähnung bedarf. Mein Zelt ist
     dein Zelt, und meine Speise gehört auch dir. So ist es bei uns. Doch bevor du gehst, zeige mir den Ring an deiner Hand.«
    »Es ist nur eine Schlange«, sagte Großer-Tiger nachlässig, »ich trage den Ring, damit mein Name eine Minderung erfährt.«
    »Wer hat dir dazu geraten?«, fragte der alte Vetter, und er betrachtete den Ring, den ihm Großer-Tiger reichte.
    »Ein heiliger Mann«, sagte Großer-Tiger.
    Der alte Vetter beugte sich vor, um den Ring im Schein des Feuers besser zu sehen. Dabei wurde sein Gesicht traurig, und als
     er den Ring dem König gab, damit er ihn auch betrachte, standen ihm die Tränen in den Augen.
    »Ich glaube«, sagte Großer-Tiger bedrückt, »dass dieser Ring ein schlimmer Ring ist.«
    »Kein Ding ist schlimm«, sprach der alte Mann, »allein der Mensch gibt den

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