Großstadtvampire (German Edition)
Boden.
Faszinierend, dachte sich Igor. Funktioniert immer wieder. Er hatte den Griff vor Jahren in der amerikanischen Fernsehserie "Raumschiff Enterprise" gesehen und ihn sofort ausprobiert. Zu seiner Überraschung hatte er wirklich funktioniert. Seitdem war es seine beliebteste Methode, um in Panik geratene Menschen ruhig zu stellen.
Als Igor wieder auf die Straße trat, entdeckte er Johannes in der Tür des Nachbargebäudes, wo er sich versteckt hatte.
"Und? Was ist mit dem Typen?", wollte Johannes von ihm wissen.
"Der schläft. Caroline war hier, ist aber wieder weg. Also was machen wir jetzt?"
"Lass uns da mal reinschauen", sagte Johannes und deutet zu einer Kneipe am Ende der Straße, vor der zwei Leute verloren rum standen, rauchten und Bier aus der Flasche tranken. "Den Laden mochte sie immer gerne."
Die Tür zur Wohnung der Büchsenschuss' öffnete sich und Lohmann trat mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck ins Treppenhaus.
"…und sie meinen der ist immer noch da drinnen?" erkundigte sich Lohmann sicherheitshalber noch einmal.
"Ganz sicher", erklärte Kurt. "Wenn der hier vorbeigekommen wäre, hätte ich es bemerkt. Ich habe das Treppenhaus den ganzen Nachmittag observiert."
"Nehmen Sie bitte das hier", es war Brigitte, die nun Lohmann einen Knoblauchzopf mit zehn Knollen in die Hand drückte. "Man kann nie wissen und Knoblauch vertragen die nicht."
Lohmann wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Die Büchsenschuss' waren wirklich nette Leute und sie hatten ihm äußerst brauchbare Informationen geliefert. Dass sie aber wirklich davon überzeugt waren, dass ihr Nachbar ein Vampir war, hatte ihn ein wenig entsetzt. Aber es ging ihn schließlich nichts an, welchen Überzeugungen die Menschen anheim fielen.
"Vielen Dank noch mal. Wir Polizisten wüssten gar nicht, was wir ohne die Hilfe so aufmerksamer Bürger, wie Sie es sind, anfangen würden", heuchelte Lohmann. Er war schnell dahinter gekommen, dass Kurt Büchsenschuss früher für die Stasi gearbeitet hatte. In der Zeit nach Mauerfall und vor der Wiedervereinigung, als die Berliner Polizei mit Stellen der DDR an der Eingliederung der Volkspolizei arbeitete, war er oft genug mit Mitarbeitern des MfS zusammengekommen und hatte eine Aversion gegen sie entwickelt. Ihnen allen haftete damals schon diese Haltung besserwisserischen "Missverstanden-Seins" an, gepaart mit einer ordentlichen Prise Selbstmitleid. Er konnte sie nicht ausstehen. Seine Frau Brigitte hatte hingegen einen sehr vernünftigen Eindruck auf ihn gemacht. Umso mehr wunderte er sich über ihre feste Überzeugung, der Nachbar müsse ein Vampir sein.
"Ja, wir Sicherheitskräfte müssen doch zusammenhalten", sagte Kurt und wollte gerade ansetzen, eine weitere Geschichte aus seiner Dienstzeit zum Besten zu geben, als seine Frau ihn unterbrach.
"Komm, Kurt. Der Genosse Kommissar hat sicher viel zu tun. Auf Wiedersehen und viel Erfolg bei der Verhaftung."
"Ja, danke. Und Ihnen noch einen schönen Abend." Genosse Kommissar, dachte Lohmann. Ob der Frau ihr Lapsus überhaupt aufgefallen war?
"Ja, Tschüssi dann", konnte Kurt noch sagen, bevor Brigitte ihn wieder in die Wohnung bugsiert hatte und die Wohnungstür ins Schloss fiel.
Kopfschüttelnd blickte Lohmann auf die Tür und wusste nicht so recht, was er mit dem Knoblauchzopf anfangen sollte. Schließlich drehte er sich um und stiefelte zu Johannes' Wohnung hoch.
"Ihr könnt wieder rauskommen", rief er seinen Kollegen zu, die ihm bereits entgegenkamen.
"Was haben sie erzählt?", wollte Dieter wissen, als Lohmann vor Johannes' Wohnung ankam. Lohmann drückte ihm den Knoblauchzopf in die Hand.
"Er hat einen Komplizen." Dieter stand etwas unbeholfen mit dem Knoblauch in der Hand da und wunderte sich, wo Lohmann den so plötzlich aufgetan hatte.
"Sollen wir jetzt ein SEK-Team rufen und die Wohnung öffnen lassen?"
Lohmann schüttelte den Kopf.
"Bis die da sind...", stellte er nur fest. Dann trat er einmal kräftig gegen Johannes' Wohnungstür. Das Türschloss war Lohmanns Kraft nicht gewachsen und die Tür flog mit einem lauten Knall auf.
Die mit abgerundeten Polstern und runden Spiegeln verzierte Kneipe war gedämpft beleuchtet, dafür dröhnte die Musik umso lauter aus dem Boxen. Außer ein paar Typen, die am Tresen lungerten, war die Kneipe ziemlich leer. Johannes und Igor schlichen an der Bar vorbei und suchten die hinteren Räume nach Caroline ab. Anscheinend war sie nicht da.
"Verschwinde! Du bist hier
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