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Großvater 02 - und die Schmuggler

Großvater 02 - und die Schmuggler

Titel: Großvater 02 - und die Schmuggler
Autoren: Per Olov Enquist
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Bett lag, sich jetzt aber aufrichtete und sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu fragen schien, wer die ungeheure Frechheit besaß, ihn mitten in der Nacht zu wecken.
    »Nee, Großvater schläft«, sagte Marcus und kratzte sich im Schritt.
    »Du holen!«, sagte die Stimme.
    »Das geht nicht«, sagte Marcus. »Er schläft oben, und er will nicht runterkommen.«
    »Warum?«, sagte die Stimme jetzt eine Spur lauter.
    »Ja«, sagte Marcus mit seiner hilfsbereitesten Stimme, »wenn er nämlich aufstehen und pinkeln muss, dann will er in der Nacht nicht die steile Treppe runtergehen und ausrutschen und sich wieder das Bein brechen, und deshalb hat Gunilla ihm einen Nachttopf gekauft, damit er nicht runter braucht.«
    Es folgte eine kürzere Pause, der Mann am anderen Ende schien nachzudenken, und Marcus ergänzte:
    »Er hat gedroht, aus dem Fenster zu pinkeln, wenn er keinen Pisspott kriegt, aber auf keinen Fall die Treppe runterzugehen. In der Nacht.«
    »Gedroht?«, sagte die Stimme.
    »Ja. Gedroht, aus dem Fenster zu pissen. Aus dem ersten Stock. Da hat Gunilla nachgegeben. Und den Pisspott gekauft.«
    Es entstand eine Pause.
    »Du holen Enquist«, sagte die Stimme dann.
    »Nein! Er wird bloß wütend«, sagte Marcus.
    »Holen Enquist!«
    »Nein, er wird stinksauer.«
    Es gab eine längere Pause, in der man nur die schweren Atemzüge des Anrufers hörte. Marcus trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
    »Wie du heißen«, sagte die Stimme.
    »Marcus. Marcus Enquist.«
    »Du grußen Schreibsteller? Von mir.«
    »Ja, klar«, sagte Marcus wohlwollend und spürte, wie dringend er selbst pinkeln musste und wie gern er das Gespräch beenden wollte.
    »Du grußen Schreibsteller, dass nicht soll stecken Nase in Sachen, was nicht angeht. Sonst ihm schlecht gehen.«
    »Ja«, sagte Marcus.
    »Du noch wissen diese kleine Gruß? Du wiederholen.«
    Marcus winkte Pelle, zu ihm herüberzukommen, und Pelle kam langsam herangetrottet und setzte sich auf Marcus’ rechten Fuß und sah zu ihm auf, und Marcus versuchte, ruhig zu atmen.
    »Du wiederholen«, sagte die Stimme. Jetzt ungeduldiger.
    Und Marcus wiederholte.
    »Er soll seine Nase nicht in Sachen stecken, die ihn nichts angehen. Sonst geht es ihm schlecht.«
    Der Mann am anderen Hörer schien zu zögern, dann sagte er ganz ruhig: »Gut. Wie alt du?«
    »Elf.«
    »Gut, Marcus. Soll Glick und Wohlerstand der Schreibsteller folgen auf allen sieben Meeren.«
    »Ja?«
    »Du grußen der Schreibsteller, er verstehen. Er schreiben in Buch: Auf allen sieben Meeren! «
    Dann legte er auf. Es wurde still.
    »Pelle«, sagte Marcus flüsternd. »Was hat das zu bedeuten? Pelle, sag was!«
    Aber Pelle antwortete nicht. Und auf einmal merkte Marcus, wie ungeheuer still es in der Küche geworden war, sehr still, stiller, als er es jemals erlebt hatte.
    2. Er bohrte das Gesicht in Pelles Fell, und Pelle lag still auf der Seite und schloss die Augen, und sein Fell war rau und roch frisch und sauber, obwohl Pelle nie baden wollte, und gegen Morgen schlief Marcus ein.
    Da hatte Pelle schon ein paar Stunden geschlafen.
    Als Marcus aufwachte, war er im Nu hellwach und lag da und starrte an die Decke und dachte an nichts; aber dann erinnerte er sich an alles, und es brach wie eine Sturzflut über ihn herein, und ihm wurde ganz kalt.
    Obwohl er ja Pelle hatte.
    »Was tun wir?«, flüsterte Marcus. »Ich habe ein bisschen Angst. Und wenn ich es Großvater erzähle, wird es kein toller Sommer.«
    Pelle nickte kräftig, und plötzlich verstand Marcus, wie viel Pelles Rat und Unterstützung in kritischen Situationen ihm bedeuteten. Er drückte seine Nase an Pelles schwarze und sehr kalte Schnauze und sah ihm starr in die Augen, aber Pelle war ausgerechnet jetzt genauso besorgt und im Innersten vielleicht ebenso ratlos wie Marcus selbst. Aber er begriff, dass er sich zusammenreißen musste, jetzt, wo Marcus sich solche Sorgen machte. Pelle schwieg, leckte eine Weile wie in Gedanken an Marcus’ einem Ohr, hörte dann aber auf und seufzte.
    »Glück und Wohlergehen«, sagte Marcus mit dünner Stimme. »Auf allen sieben Meeren. Als er das gesagt hat, da bekam ich Angst. Nicht vorher.«
    Pelle nickte nachdenklich und massierte mit einer Vorderpfote seinen Schnauzbart. Es war ungefähr halb acht, und bald würden P. O. und Gunilla wach werden, und Marcus müsste sich entscheiden, ob er es allen erzählen und sie alle beunruhigen sollte.
    Oder nur Großvater. Oder niemandem.
    »Das ist ein Ernstfall«, sagte er
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