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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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verkaufen, wir wollen nicht in das System der Korruption hineingezogen werden . . .«
    »Kennen Sie einen Deutschen namens Elmar Harms?«, unterbrach ihn Martin.
    Den Verständigungsblick zwischen Sofia und Lucien fühlte er mehr, als dass er ihn bemerkte.
    »Nein!« Es kam von beiden in absolutem Gleichklang. Also kannten sie ihn. Von diesem Moment an ging es Martin mit Sofia und Lucien wie mit Coulange in Bordeaux. Das Vertrauen bekam einen Sprung, der nicht zu kitten war. Martin stöhnte, er brauchte einen Moment, um sich von dem Schreck zu erholen, was seinen Gesprächspartnern nicht entging.
    »Wäre es für Sie wichtig, dass wir diesen Mann kennen?« Sofia sah ihren Bruder ratlos an. Sie begriff, dass sie einen Fehler gemacht hatten.
    Martin wiegelte ab. »Nein, nein, keineswegs. Es hätte sein können und die Dinge für mich eventuell ein wenig einfacher gemacht.« War das Lügen so einfach?
    »Wer ist dieser Mann – wie heißt er? Helms? Hat er mit Wein zu tun?« Wieder empfing der Bruder einen Blick, dieses Mal als Aufforderung zum Eingreifen. Es war kläglich, wie Sofia versuchte, die Dinge geradezubiegen.
    Martin baute ihnen eine Brücke. »Er heißt Harms und will mich in Constanţa treffen.«
    »Nein, wir kennen ihn nicht«, beharrte Lucien.
    »Abgesehen davon«, lenkte Sofia ein, »möchte ich auf Luciens Bitte zurückkommen und sie wiederholen. Ich will nicht wissen, was Sie mit meinem Chef besprechen, das ist Ihre Angelegenheit. Es geht mich nichts an. Aber wenn es mich betrifft, wenn es um die Sicherheit – um meine Sicherheit und die meiner Arbeit – geht, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich informierten.«
    Hättest du mich eben nicht belogen, Mädchen, als ich gefragt habe, dachte Martin, könnte ich Ja sagen. So aberwich er aus. »Ich glaube nicht, dass sie zu unserem Thema wird, und ich werde im Gespräch nicht erkennen lassen, dass mir die Abhörgeschichte klar geworden ist. Sollte irgendetwas für Sie von Belang sein, dann werden Sie es erfahren.«
    »Ich danke Ihnen«, antwortete Sofia mit einem förmlichen Kopfnicken und zog sich zurück. Die Sommernacht war kühl geworden, die Unterhaltung setzten sie zwar fort, aber nur mit Themen, die niemanden direkt betrafen. Eine Lüge hatte sich zwischen sie gestellt. Martin zahlte die Rechnung aus seinem Spesenbudget, schweigend fuhren sie mit dem letzten Boot zurück.
    Nebeneinander gingen sie durch den spärlich erleuchteten Park zur Büste Charles de Gaulles, wo Martin in ein Taxi stieg. Lucien und Sofia warteten an der Ampel, dann überquerten sie den Boulevard und tauchten in die glitzernde Kulisse der Großstadt ein, die kleine Sofia an der Seite ihres riesenhaften Bruders. Er würde sie beschützen, aber Martin war trotzdem bedrückt. Sie und ihr Bruder erschienen ihm wie zwei Kinder, die sich verlaufen hatten.

6
    Er war nicht besonders groß, er war vom Körperbau weder schlank noch fett, nicht leptosom oder athletisch, Tudor Dragos hatte mehr die Statur des unauffälligen Pyknikers. Ob sie seiner Mentalität entsprach, ließ sich bei dem unscheinbaren Mann schwer sagen. Er wirkte grau wie sein Anzug, die Gesichtshaut war blass, unter der Haut der glatten Wangen zeigten sich dünne Äderchen. Er schaute Martin aus wässrigen Augen an, sie waren blau, grau, irgendwas dazwischen, Augen, bei denen man nicht wusste, was dahinter vorging. Die aufgesetzte Miene sollte ein Lächeln sein. Das Markanteste an Sofias Chef war der blaue Siegelring, der besonders hervortreten sollte, sein Träger war stolz auf ihn. Er legte die rechte Hand wie zur Präsentation vor sich auf dem Schreibtisch über die linke. Er war so alt, dass er die Diktatur, den Übergang und die Besetzung durch die Konzerne miterlebt hatte, womöglich hatte er einst mitgestaltet und die Ohren gespitzt, was er allem Anschein nach noch immer tat. Hätte Martin die Wahl gehabt, er wäre aufgestanden, ohne sich zu verabschieden, ohne sich umzudrehen, wäre gegangen und hätte diesen Mann nie wiedergesehen. Ihn zu vergessen hätte bedeutet, ihn getroffen zu haben, und wäre bereits zu viel der Aufmerksamkeit gewesen.
    »Man muss die Vergangenheit endlich ruhen lassen«, sagte der Übersetzer rechts von Martin und blickte Tudor Dragos, auf dessen Visitenkarte Direktor stand, devot undgleichzeitig mit heimlicher Verachtung an. Ob er das merkte? Tudor Dragos nickte ihm aufmunternd zu, als verstünde er die Worte. Er betrachtete selbstgefällig seinen Ring. »Wir leben in der

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