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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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wären.
Ein öffentliches Lexikon der Pflanzenheilkunde, das es einzelnen Konzernen
unmöglich machen würde, Patente auf Genome und Urheberrechte auf traditionelle
Kenntnisse eintragen zu lassen.
    Ed hatte an dem Konzept für eine Stiftung gearbeitet, die
das gesammelte pflanzenkundliche Wissen verwalten und weiterentwickeln sollte,
und deren Vorsitzende auf Lebenszeit sie, Pauline Bouchet, hätte werden sollen.
Er war von dieser Idee geradezu begeistert gewesen. Ihre Kenntnisse wären die
Grundlage der Stiftung geworden und sie hätte eine wirtschaftliche Absicherung
bekommen. Das alles war jetzt Makulatur. Nach Eds Tod würden die Karten neu
gemischt werden. Ohne ihn war die Stiftungsidee nur eine Anekdote. Andere
hatten bereits vorher Begehrlichkeit an ihrem Wissen gezeigt.
    Pauline seufzte, stand schließlich aus ihrer knienden
Position auf und sah prüfend über das Gelände. Der Himmel war bleigrau geworden
und verdunkelte sich zunehmend. Heftige Böen kündigten einen drastischen
Temperaturabfall und ein Unwetter an, das sich in einem machtvollen Gewitter
entladen würde. Die Mehrzahl der Besucher hatte das Klostergelände verlassen.
Eine größere Gruppe war aber der theatralischen Wirkung erlegen, den die schlichten
ockerfarbenen Klostermauern vor dem bedrohlichen Gewitterhimmel erzeugten. Auf
Mauern und im Gras vor dem Portal der Klosterkirche sitzend, warteten sie auf
die Apokalypse.
    Im Süden verschwand der Kamm des Luberon hinter einer
tiefschwarzen, von grellen Blitzen durchpflügten Wolkenwand, die sich mit
unheilvoller Geschwindigkeit näherte. Der erste Donnerschlag kam jäh und
intensiv. Dann setzte unvermittelt der Wolkenbruch ein, der die Wartenden in
wilder Flucht in den Schutz der Kirche trieb.
    Pauline trat als eine der Letzten völlig durchnässt unter
den Bogen des Portals und beobachtete fasziniert die Naturgewalt. Das Kloster
war auf einem flachen Hügel erbaut worden, der jetzt einer Insel in tosender
See glich. Ströme von Wasser ergossen sich von den Dächern der Gebäude,
vereinten sich mit hagelkorngroßen Regentropfen, die wie Peitschenhiebe vom
Himmel stoben, um mit zerstörerischer Macht die verdorrte Grasnarbe
aufzuwühlen, Schlamm und entwurzelte Pflanzen in strudelnden Bächen mit sich
den Hügel hinab zu reißen. Ein schneidender Geruch von Ozon mischte sich mit
Wogen unterschiedlichster Düfte, die Pflanzen und Erdreich freisetzten. Es
würde in den kommenden Tagen reichlich Arbeit geben, die Schäden des Unwetters
wieder zu beseitigen.
    Dabei würden noch mehr freiwillige Helfer benötigt, die
ohnehin beim Aufbau des ethnobotanischen Gartens stets willkommen waren.
Pauline konnte so eine Weile der Umgebung ihres Hofes und den Märkten
fernbleiben. Die Prieuré bot Schutz in der Gemeinschaft. Hier war sie nichts
weiter als eine Pflanzenkennerin unter Pflanzenkennern, eine gärtnerische Hilfe
unter gärtnerischen Helfern. Das kleine Appartement, das Ed für den Sommer im
nahen Dorf gemietet hatte, bot ihr zusätzlich ein perfektes Refugium. Wie immer
sich die Dinge jetzt entwickeln würden, hier wäre sie zunächst im Rahmen des
Möglichen sicher.
    Die Ereignisse hatten sich nach Eds Tod überschlagen:
Ihre heimliche Flucht vom Hof mit dem alten Mofa aus der Jugend, das schon seit
langem das probate Mittel war, der Beobachtung durch die Nachbarn im Tal und
der Aufmerksamkeit derer kläffenden Köter zu entgehen; die schier endlose,
unbequeme Fahrt zum Kloster; und dann in den folgenden Tagen immer wieder
bestürzende Nachrichten aus Prades, wo der Apotheker alle Informationen für sie
sammelte, die aus der Bastide und von Valeries Aktivitäten zu erhalten waren.
    Sie war allein des Deutschen wegen beunruhigt, der für
Valerie herumschnüffelte und überall nach ihr suchte. Als der Apotheker dann
aber auch noch von dem toten Mädchen am Pass erzählte, und ihr Aussehen
beschrieb, war sie in hysterische Panik verfallen. Es nahm ihr fast den Atem.
Stundenlang war sie von Weinkrämpfen geschüttelt worden, hatte sich im
Appartement verbarrikadiert und Möbel gegen die Tür geschoben. Sie hatte damit
gerechnet, dass ihre Flucht bemerkt, ihr Versteck ausgekundschaftet und sie in
jedem Moment entdeckt würde.
    Die Situation hatte eine apokalyptische Entwicklung
angenommen. Die Büchse der Pandora war geöffnet worden, ohne dass sie dies so
konkret wahrgenommen hatte. Über die Identität der Toten hatte die Polizei noch
keine Informationen veröffentlicht. Es konnte aber
nur Melissa

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