Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
Kerzenflammen schossen empor wie Pfeile. Hoyt streckte die Hände aus.
»Kein Leid, kein Schmerz. Nur Gedanken in Gedanken. Dein Geist in meinen Geist, dein Geist in unseren Geist.«
Seine Augen blickten tief in ihre. Dann wurden sie schwarz, und er sah. Alle sahen sie es.
Ein junges Mädchen kämpfte mit einem Monster, das fast doppelt so groß war wie sie. Ihr Gesicht war blutverschmiert, und ihr Hemd war zerrissen. Bei jedem Schlag hörte man ihre keuchenden Atemzüge. Ein Mann stand daneben und beobachtete den Kampf.
Sie wurde zu Boden geschleudert, sprang aber sofort wieder auf. Als das Monster auf sie zusprang, wich sie aus und stach ihm von hinten mit einem Holzpflock durchs Herz.
Viel zu langsam, sagte der Mann. Selbst für ein erstes Mal viel zu nachlässig. Das muss besser werden.
Sie erwiderte nichts, aber sie dachte: Ich werde besser, besser als irgendjemand sonst.
Jetzt war sie älter und kämpfte an der Seite des Mannes. Es waren fünf gegen zwei, aber es war schnell vorüber. Danach schüttelte der Mann den Kopf. Mehr Beherrschung, weniger Leidenschaft. Die Leidenschaft bringt dich um.
Sie war nackt, lag mit einem jungen Mann im Bett, und sie bewegten sich im gedämpften Schein der Nachttischlampe. Lächelnd bog sie sich ihm entgegen, küsste ihn. An ihrem Finger blitzte ein Diamantring. Ihre Gedanken waren voller Leidenschaft, Liebe und Freude.
Und dann saß sie verzweifelt und elend im Dunkeln auf dem Fußboden, allein und weinend, mit gebrochenem Herzen. Kein Ring schmückte mehr ihren Finger.
Sie stand auf der Anhöhe über dem Schlachtfeld, und die Göttin war wie ein weißer Schatten neben ihr.
Du sollst die Erste und die Letzte sein, die aufgerufen wird, sagte Morrigan zu ihr. Sie warten auf dich. Die Welten liegen in euren Händen. Reiche ihnen die Hände und kämpfe.
Sie dachte: Darauf habe ich mein ganzes Leben lang gewartet. Wird es mein Ende sein?
Hoyt ließ die Hände sinken und holte sie langsam zurück, während er den Kreis schloss. Ihr Blick wurde wieder klar, und sie blinzelte.
»Und? Habe ich die Prüfung bestanden?«
Glenna lächelte ihr zu und holte eins der Kreuze vom Tisch. »Das gehört jetzt dir.«
Blair ergriff es und ließ es an der Kette baumeln. »Es ist sehr schön. Wunderbar gearbeitet, und es ist lieb von euch. Aber ich habe mein eigenes.« Sie zog es unter ihrer Bluse hervor. »Das ist ein Familienerbstück.«
»Es ist sehr hübsch, aber wenn du …«
»Warte.« Hoyt griff nach dem Kreuz und starrte es an. »Woher hast du das?«
»Ich sagte doch, es ist ein Familienerbstück. Wir haben sieben davon. Sie werden immer weitergereicht. Lass es bitte los.«
Er blickte sie an, und sie kniff misstrauisch die Augen zusammen.
»Wo liegt das Problem?«
»Die Göttin hat mir sieben gegeben, an jenem Abend, als sie mich hierher geschickt hat. Ich hatte um Schutz für meine Familie gebeten, die Familie, die ich zurückließ. Und sie hat mir diese Kreuze gegeben.«
»Das war wann? Vor neunhundert Jahren? Bedeutet es …«
»Das hier gehörte Nola.« Er blickte Cian an. »Ich kann es spüren. Es war Nolas Kreuz.«
»Wer ist Nola?«
»Unsere Schwester. Die Jüngste«, erwiderte er mit erstickter Stimme. Cian trat näher, um das Kreuz ebenfalls zu betrachten. »Und hier hinten habe ich ihren Namen eingeschrieben. Sie sagte, ich würde sie wiedersehen. Und bei den Göttern, das tue ich. Sie ist in dieser Frau. Blut zu Blut. Unser Blut.«
»Und du bist ganz sicher?«, sagte Cian leise.
»Ich habe es ihr selber umgehängt. Sieh sie doch an, Cian.«
»Ja. Nun.« Er wandte sich ab und trat wieder ans Fenster.
»Geschmiedet im Feuer der Götter, gegeben von der Hand eines Zauberers.« Blair atmete tief durch. »So lautet die Familienlegende. Mein zweiter Name ist Nola. Blair Nola Bridgit Murphy.«
»Hoyt.« Glenna berührte ihn am Arm. »Sie gehört zu deiner Familie.«
»Vermutlich bist du also irgendwie mein Onkel, um tausend Jahre verschoben oder so.« Sie warf einen Blick auf Cian. »Das hätte mir mal jemand sagen sollen, dass ich mit einem Vampir verwandt bin …«
Am nächsten Morgen stand Glenna neben Hoyt auf dem Friedhof der Familie. Die Sonne kam nur gelegentlich durch die Wolken. In der Nacht hatte es heftig geregnet, und die Rosen am Grab seiner Mutter bogen sich unter der Last.
»Ich weiß nicht, wie ich dich trösten soll.«
Er ergriff ihre Hand. »Du bist hier. Ich habe nie geglaubt, dass ich jemanden einmal so brauchen würde wie dich.
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