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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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konnte er das nur tun? Natürlich, wir haben uns in eine elende Schweinerei hineingeritten. Und mit dem Abitur ist es aus. Aber trotzdem. Das war doch nicht nötig. Daran war nur sein Vater schuld. Niemand anders. Dieser Ehrgeiz, aus seinem Walter etwas zu machen... Mein Gott! Was hast du von Walter gehört?«
    »Daß er durchkommen wird!«
    Sie legte den Arm um Gregors Schultern und führte ihn aus der stickigen, schalen Luft der Korridore ins Freie. Ein Taxi hielt vor dem Eingang, und Viktoria winkte dem Chauffeur, auf sie zu warten.
    »Komm jetzt, Gregi, wir fahren heim.«
    Er nickte, als täten ihm die Halsmuskeln weh: »Ich möchte schlafen, Mutti, nichts als schlafen, heute und morgen und am liebsten überhaupt nicht mehr aufwachen. Wenn ich an die Verhandlung denke... An einen Prozeß in aller Öffentlichkeit... Ich dachte, im Höchstfall schmeißen sie uns aus der Schule... Und das wollten wir für Walter riskieren... Aber jetzt! Weißt du, was der Richter gesagt hat?«
    »Davon reden wir später.«
    »Daß wir uns auf ein halbes Jahr Gefängnis gefaßt machen müssen«, sagte er verzweifelt.
    »Der Justizrat hat mir gesagt, die Strafe werde ganz gewiß zur Bewährung ausgesetzt werden.«
    »Und wenn schon... Aber das bleibt doch wie Pech an einem kleben. Man ist vorbestraft.«
    Viktoria nahm seine Hand und behielt sie während der Fahrt zwischen ihren Händen. Sie wollte ihn trösten, aber was konnte sie ihm schon sagen? Daß er schließlich kein Verbrechen begangen hatte... Und daß die Bewährungsfrist mehr bedeutete als einen Strafaufschub... Bewährung vor sich selbst... Mein Gott, es waren doch nur Worte, verstaubte und platte Worte dazu. Man mußte ihn sich selbst überlassen und darauf hoffen, daß die Zeit auch seine Wunden heilen würde.

18

    Manuela hatte zuerst die Absicht, die englische Konversationsstunde am Vormittag abzusagen. Aber noch unangenehmer als die Begegnung mit den jungen Mädchen, die sich mit ihr von Miß Fitzgerald auf den Besuch der Dolmetscherschule vorbereiten ließen, erschien ihr das untätige Herumsitzen in der leeren Wohnung. Mit einer Haftentlassung Gregors rechnete sie nicht. Er tat ihr leid, aber schließlich hatte er sich sein Schicksal selber zuzuschreiben, und in einem Winkel ihres Herzens empfand sie sogar einen Groll gegen Gregor, weil der Name Mellin durch die Zeitungen geschleift wurde. Denn die Abendblätter hatten nicht die Zurückhaltung der Lokalpresse geübt, sondern die Namen der drei Primaner preisgegeben und die Geschichte aus Mangel an anderen Sensationen breit ausgeschlachtet.
    Ein bekanntes Hupensignal riß sie beim Überqueren der Straße aus ihren Gedanken, und ein Wagen hielt neben ihr am Gehsteig. Jürgen Barwasser! Der hatte ihr gerade noch gefehlt. Aber sie setzte ihr strahlendstes Lächeln auf. Er rutschte auf den rechten Sitz und öffnete die Tür.
    »Hallo, Manuela.«
    »Hallo, Barwasser junior, sieht man dich auch mal wieder?«
    »An mir hat es nicht gelegen«, knurrte er schief, »aber sag
    mal, Süße, ist es wahr, daß dein Bruder an dieser Geschichte im Schiller-Pennal beteiligt ist?«
    »Ja, leider.«
    »Menschenskind, das ist ja nun wirklich eine Wolke. Klaus Adami meint, daß der Spaß die Brüder ein Jahr kosten kann. Und als Jurist muß er es ja wissen.«
    »Erzähl das meiner Mutter«, sagte sie eisig, »die ist noch trostbedürftiger als ich.«
    »Nanananana«, machte er, »man wird doch noch was sagen dürfen.«
    »Ich höre aber lieber etwas Neues.«
    Er polierte mit dem Daumen den rechten Rückspiegel und suchte in dem stark verkleinernden Spiegel Manuelas Gesicht.
    »Na, und sonst, Süße?«
    »Was heißt: Und sonst?« fragte sie kühl.
    »Du weißt genau, was ich meine«, sagte er hitzig. »War es nett in der Roxy-Bar, damals, nach unserer Party?«
    »Sehr nett, du Riesenidiot«, antwortete sie liebenswürdig. »Du ahnst nicht, was das für ein Genuß ist, sich einmal von einem Mann mit guten Manieren ausführen zu lassen.«
    »Und jetzt erzähl mir nur noch, daß du dich bis über beide Ohren in ihn verknallt hast«, knurrte er sie an.
    »Und wenn ich mich in ihn verknallt hätte... Was, zum Teufel, geht das dich eigentlich an?!«
    »Manuela«, sagte er beschwörend und zog den Kopf ein, denn zwei Damen, die mit ihren Einkaufstaschen an ihnen vorübergingen, drehten sich um.
    »Wer bist du denn«, fauchte Manuela ihn an, »daß du es dir erlaubst, mich auf offener Straße zu stellen und mir vorzuhalten, mit wem ich

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