Grüne Magie
waren sie mit Dornschwertern, und außerdem trugen sie Taschen bei sich. Zehn Meter vor den Kämpfern von Faidefeste griffen sie in die Beutel, holten dunkle Kugeln hervor und schleuderten sie den Kriegern entgegen. Sie zerplatzten an den Rüstungen.
»Zum Angriff!« brüllte Lord Faide. Und seine Männer sprangen los und hackten mit ihren Schwertern auf die Autochthonen ein. »Tötet sie!« rief Lord Faide triumphierend. »Laßt keinen von ihnen am Leben!«
Plötzlich verspürte er im Innern der Rüstung einen schmerzhaften Stich, dann einen weiteren. Und noch einen. Winzige Geschöpfe drangen durch kleine Fugen im Harnisch ein, krochen über die Haut des Lords und bissen immer wieder zu. Er sah sich um. Sein Blick fiel auf verzerrte Gesichter, und viele der Ritter schlugen wild um sich, versuchten vergeblich, sich zu kratzen und die Plagegeister zu zerquetschen. Zwei Männer begannen damit, sich die Rüstung vom Leib zu reißen.
»Zurück?« rief Lord Faide. »Zurück zur Feste!«
Der Rückzug kam eher einer wilden Flucht gleich, und während sie dahinstürmten, ließen die Männer Teile ihrer Harnische auf dem Moos liegen. Dann schwirrten Wespen heran. Es waren nur zwölf oder einige wenige mehr, und sechs Ritter gellten, als sich giftige Stechrüssel in ihre Rücken bohrten.
Durch das Tor liefen die völlig verwirrten Männer, und auf dem Innenhof streiften sie die metallene Panzerung ab, kratzten sich, rieben sich über Arme und Beine und versuchten verzweifelt, sich von den winzigen roten Beißmilden zu befreien.
»Schließt das Tor«, grollte Lord Faide.
Das Tor schwang zu. Und Faidefeste wurde vom Feind belagert.
XI
Während der Nacht bildete das Erste Volk fünfzig Meter vor den Wällen der Bastion einen weiten Ring. Und die ganze Nacht über waren die Autochthonen in Bewegung: bleiche Schatten, die im matten Licht der Sterne hin und her huschten und in ständiger Bewegung blieben.
Bis Mitternacht beobachtete Lord Faide von der Brustwehr aus den Feind, und Hein Huss leistete ihm dabei Gesellschaft. Immer wieder fragte er: »Was ist mit den anderen Festen? Schicken Sie mir Verstärkung?« Und jedesmal gab Hein Huss die gleiche Antwort: »Es herrschen allgemeine Verwirrung und Skepsis. Die Lords der anderen Bastionen sind durchaus bereit, Ihnen zu helfen, aber sie wollen ihre Kämpfer nicht in den sicheren Tod schicken. Derzeit überlegen sie und versuchen, sich ein Bild von der Lage zu machen.«
Schließlich verließ Lord Faide die Brustwehr und bedeutete Hein Huss, ihm zu folgen. Er begab sich in sein Trophäenzimmer, ließ sich in einen Sessel sinken und forderte seinen Begleiter dazu auf, ebenfalls Platz zu nehmen. Einige Sekunden lang musterte er den großen massigen Mann nachdenklich, und Hein Huss reagierte mit Gelassenheit auf den durchdringenden Blick des Lords.
»Sie sind Oberster Unglücksbringer«, sagte Faide schließlich. »Seit zwanzig Jahren beschwören Sie Dämonen, nehmen Behexungen vor und deuten Vorzeichen und Omen – und Sie haben dabei bewiesen, geschickter und fähiger zu sein als alle anderen Unglücksbringer Pangborns. Jetzt aber wirken Sie gleichgültig und desinteressiert. Warum?«
»Sie irren sich mit Ihrer Einschätzung. Ich bin alles andere als gleichgültig, doch andererseits sehe ich mich außerstande dazu, etwas zu leisten, was meine Kräfte übersteigt. Ich weiß nicht, wie man Wunder bewirkt. In dieser Hinsicht sollten Sie sich an meinen Novizen Sam Salazar wenden. Er weiß es zwar ebenfalls nicht, aber er gibt sich große Mühe und versucht es auf alle möglichen und unmöglichen Arten.«
»Selbst Sie glauben an solchen Unfug! Sie sind zu einem Mystiker geworden!«
Hein Huss zuckte mit den Schultern. »Meinem Wissen sind Grenzen gesetzt. Wunder geschehen – soviel wissen wir. Überall gibt es die Relikte unserer Ahnen. Sie verwendeten übernatürliche Methoden, ein System, das unserer heutigen und sehr rationalen Denkweise abergläubisch und völlig verwirrend erscheint. Doch jetzt verwendet das Erste Volk jene Techniken, um uns zu besiegen. Anstelle von Metall setzen die Eingeborenen lebendes Fleisch ein – mit dem gleichen Resultat. Wenn sich die Menschen von Pangborn vereinen und bereit sind, große Verluste in Kauf zu nehmen, gelingt es ihnen vielleicht, die Autochthonen in den Dichtwald zurückzutreiben
– aber für wie lange? Ein Jahr? Ein Jahrzehnt? Das Erste Volk pflanzt neue Bäume, richtet weitere Fallen ein; und irgendwann wird es erneut
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