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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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»Meine Idgie versteht es eben, die Bienen zu verzaubern.«
    »Wirklich?«
    »Klar. Ich habe schon von Leuten gehört, die das können, aber so was nie zuvor beobachtet.«
    »Ist es schlimm?«
    »Nein, es ist wundervoll.«
    »Ich dachte, es wäre verrückt.«
    »Oh nein!« Ruth beugte sich hinab und flüsterte in Idgies Ohr: »Du bist eine alte Bienenverführerin, Idgie Threadgoode.«
    Idgie lächelte sie an, schaute ihr in die Augen, die den klaren blauen Himmel widerspiegelten, und fühlte sich so glücklich, wie man’s nur sein kann, wenn man im Sommer verliebt ist.

W HISTLE S TOP , A LABAMA
    29. August 1924
    Komisch – die meisten Leute sind mit jemandem zusammen, beginnen ihn allmählich zu lieben und wissen nie genau, wann es geschehen ist. Aber Ruth konnte sich sogar an die Sekunde erinnern, an jenen Moment, wo Idgie ihr grinsend das Honigglas hingehalten hatte. Da durchströmten sie all die Gefühle, die sie zuvor unterdrückt hatte. In jenem Augenblick wusste sie, dass sie Idgie von ganzem Herzen liebte. Deshalb weinte sie. So etwas hatte sie vorher nie empfunden, und wahrscheinlich würde sie es auch nie wieder empfinden.
    Einen Monat später erkannte sie wegen dieser Liebe, dass sie abreisen musste. Idgie war ein sechzehnjähriges Kind, das für sie schwärmte und unmöglich verstehen konnte, was es sagte.
    Als Idgie die Freundin anflehte, für immer in Whistle Stop zu bleiben, hatte sie keine Ahnung, was sie da verlangte. Aber Ruth wusste es. Und deshalb musste sie weggehen.
    Warum es ihr innigster Wunsch war, nur mit Idgie zusammen zu sein und mit sonst niemandem, wusste sie allerdings nicht. Deshalb betete sie und vergoss Tränen. Aber es gab keinen anderen Ausweg – sie musste nach Hause zurückkehren, Frank Bennett heiraten, ihren Verlobten, und ihm eine gute Frau sein, die Mutter seiner Kinder. Was immer Idgie auch behauptete, sie würde über diese Schwärmerei hinwegkommen und ihr Leben weiterführen. Und Ruth musste das einzig Richtige tun.
    Nachdem sie verkündet hatte, sie würde am nächsten Morgen abreisen, geriet Idgie völlig außer Rand und Band. Sie rannte in ihr Zimmer, zertrümmerte diverse Gegenstände und machte einen solchen Krach, dass man es im ganzen Haus hörte.
    Ruth saß auf ihrem Bett und rang die Hände, als Momma zu ihr kam und flehte: »Bitte, kümmere dich um Idgie. Sie lässt weder mich noch Daddy in ihr Zimmer. Schätzchen, bitte! Ich fürchte, sie wird sich verletzten.«
    Wieder hallte ein ohrenbetäubender Krach durchs Haus, und Momma schaute Ruth beschwörend an. »Sie führt sich auf wie ein verwundetes Tier. Würdest du versuchen, sie ein bisschen zu beruhigen?«
    Ninny erschien in der Tür. »Momma, Essie Rue sagt, jetzt hat Idgie die Lampe zerbrochen.« Sie warf Ruth einen entschuldigenden Blick zu. »Ich glaube, sie regt sich so auf, weil du uns verlassen willst.«
    Bedrückt ging Ruth den langen Korridor hinab. Mildred, Patsy Ruth und Essie Rue versteckten sich hinter ihren Schlafzimmertüren, nur die Köpfe lugten hervor und schienen sie mit den Augen zu durchbohren, als sie vorbeieilte. Momma und Ninny, die sich die Finger in die Ohren geschoben hatte, warteten am anderen Ende des Flurs.
    Ruth erreichte Idgies Zimmer und klopfte leise an.
    » Lass mich in Ruhe, verdammt!« , schrie Idgie und warf irgendetwas gegen die Tür.
    Momma räusperte sich und schlug in sanftem Ton vor: »Kinder, warum setzen wir uns nicht alle in den Salon? Wir sollten Ruth jetzt nicht stören.«
    Alle sechs liefen die Treppe hinab.
    Ruth klopfte wieder an. »Ich bin’s, Idgie.«
    »Verschwinde!«
    »Ich will mit dir reden.«
    »Nein! Lass mich in Ruhe!«
    »Bitte, sei doch nicht so!«
    »Zum Teufel, geh weg von dieser Tür! Ich mein’s ernst!« Wieder krachte etwas gegen das Holz.
    »Bitte, lass mich hinein.«
    » Nein!«
    »Bitte, Schätzchen.«
    » Nein!«
    »Idgie, mach jetzt sofort diese gottverdammte Tür auf! Ich mein’s ernst! Hörst du mich?«
    Sekundenlang herrschte Stille. Dann öffnete sich langsam die Tür. Ruth ging hindurch und schloss sie hinter sich. Fast alles im Zimmer war zerbrochen, manches doppelt und dreifach. »Warum führst du dich so auf? Du wusstest doch, dass ich irgendwann abreisen würde.«
    »Warum nimmst du mich nicht mit?«
    »Das habe ich dir erklärt.«
    »Dann bleib hier.«
    »Das geht nicht.«
    » Warum nicht?«, brüllte Idgie aus Leibeskräften.
    »Würdest du bitte dieses Geschrei bleiben lassen? Du bringst deine Mutter und auch mich in

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