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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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Erntedankfest.
    Das Historienspiel »Die Geschichte von Whistle Stop«, drüben in der Schule aufgeführt, erinnerte uns an die Indianer, die früher hier gelebt haben, ein wildes, tapferes Volk. So wurden sie auch von Vesta Adcock porträtiert, die den Häuptling Syacagga spielte. Diesem Schwarzfußindianer hat unser Land einmal gehört.
    Meine andere Hälfte behauptet, er sei zu einem Drittel Schwarzfußindianer. Aber so wild ist er gar nicht. War nur ein Spaß, Wilbur.
    PS: Falls Sie sich fragen, wer in der Eisenbahn aus Pappe saß, die über die Bühne fuhr – niemand anderer als Peanut Limeway.
    Idgie sagt, ihre farbige Angestellte Sipsey habe im Threadgoode-Garten eine fast zwei Meter hohe Okrastaude gezüchtet.
    Die schmückt jetzt das Café.
    Alle trauern immer noch um Will Rogers. Wir liebten ihn so sehr. Wer kann unseren vergötterten Doktor Apfelsauce ersetzen? Wie viele von uns entsinnen sich der fröhlichen Tage im Café, wo wir Radio oder Wills Geschichten hörten … In diesen harten Zeiten ließ er uns für eine Weile alle Sorgen vergessen und brachte uns zum Lachen. Seiner Frau und seinen Kindern sprechen wir unser herzliches Beileid, aus, und wir wünschen ihnen alles Gute. Sipsey schickt ihnen eine Pekannusstorte. Kommen Sie bitte alle ins Postamt und unterschreiben Sie die Karte, die wir beilegen wollen.

P FLEGEHEIM R OSE T ERRACE
    O LD M ONTGOMERY H IGHWAY , B IRMINGHAM , A LABAMA
    17. Februar 1986
    Evelyn hatte verschiedene Kekse von der Firma Nabisco mitgebracht und hoffte, damit ihre Schwiegermutter aufzuheitern. Aber Big Momma sagte, nein, danke, so was möge sie nicht.
    Also ging Evelyn mit den Keksen zu Mrs. Threadgoode in den Salon, und die alte Dame war entzückt. »Ich könnte den ganzen Tag Ingwerstäbchen und Vanillewaffeln essen – Sie auch?«
    Unglücklicherweise musste Evelyn nicken. Mrs. Threadgoode knabberte an einem Keks und schaute nach unten. »Ich hasse Linoleum. In diesem Heim gibt’s lauter hässliche graue Linoleumböden. Man sollte meinen, in einem Haus, wo so viele alte Leute in ihren Filzpantoffeln rumlaufen und leicht ausrutschen und sich alle Knochen brechen könnten, müsste man Teppiche hinlegen. In meinem Wohnzimmer habe ich einen Häkelteppich. Ich bat Norris, meine schwarzen Schnürschuhe zum Schuster zu bringen und Gummisohlen draufmachen zu lassen. Die ziehe ich von morgens bis abends nicht mehr aus. Ich will mir nicht die Hüfte brechen, denn wenn’s dazu kommt, ist es aus und vorbei.
    Die alten Menschen hier fallen alle zwischen sieben und halb acht ins Bett. Das bin ich nicht gewöhnt. Ich gehe immer erst schlafen, wenn der Zehn-Uhr-zwanzig-Zug nach Atlanta an meinem Haus vorübergefahren ist. Hier lege ich mich natürlich auch schon um acht hin und knipse das Licht aus, um Mrs. Otis nicht zu stören. Aber ich kann erst einschlafen, wenn ich den Zehn-Uhr-Zwanziger pfeifen höre. Das hallt durch die ganze Stadt bis hierher. Oder vielleicht bilde ich mir nur ein, dass ich’s höre. Das spielt keine Rolle. Jedenfalls schlafe ich erst danach ein.
    Ich liebe Züge, und das ist gut so, denn Whistle Stop war nie mehr als eine Bahnlinienstadt – und Troutville nur ein Haufen Hütten mit einer Kirche, der Mount-Zion-Primitive-Baptistenkirche, wo Sipsey und die anderen hingehen.
    Die Gleise führen direkt an meinem Haus vorbei. Hätte ich eine Angelrute, könnte ich sie aus dem Fenster halten und die Waggons berühren – so nah bin ich dran. Seit fünfzig Jahren sitze ich auf meiner Verandaschaukel und sehe die Züge vorbeifahren, und ich werde niemals müde, sie zu beobachten – so wie damals den Waschbären, der die Cracker wusch. Nachts schau’ ich mir die Züge am liebsten an. Und der Speisewagen ist mein Liebling. Jetzt gibt’s nur mehr eine Snackbar, wo die Leute sitzen, ihr Bier trinken und Zigaretten rauchen. Aber früher, bevor sie die guten Züge abschafften, da kam der Sieben-Uhr-vierzig-Silver-Crescent von New York nach New Orleans zur Dinnerzeit vorbei. Oh, das hätten Sie sehen müssen! Die farbigen Kellner in den gestärkten weißen Jacketts, mit schwarzen Lederkrawatten, das schöne Geschirr, die silbernen Kaffeekannen, und auf jedem Tisch eine frische Rose mit Schleierkraut und einer eigenen kleinen Lampe …
    Das waren natürlich jene Tage, wo sich die Frauen abends elegant anzogen, mit Hüten und Pelzen. Und die Männer sahen so hübsch aus in ihren dunkelblauen Anzügen. Im Silver Crescent gab’s sogar winzige Jalousien an jedem Fenster.

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