Grünes Gift
sind Sie!« rief Harlan überrascht. »Und Sie haben mir so komplizierte Informationen über das Virus geliefert! Ich war fest davon überzeugt, daß ich es mit einem Kollegen aus der Immunologie zu tun hätte.«
»Das Lob steht mir leider nicht zu«, entgegnete Sheila. »Jonathans Mutter war zu dem Zeitpunkt noch bei uns. Sie ist Virologin und hat den Großteil der Arbeit erledigt.«
»Klingt so, als sollte ich lieber nicht fragen, wo sie jetzt ist«, stellte Harlan fest.
»Wir wissen nicht, wo sie ist«, sagte Jonathan schnell. »Sie ist gestern abend in eine Apotheke gegangen, um neue Präparate zu besorgen, und nicht zurückgekommen.«
»Tut mir leid«, sagte Harlan.
»Ich bin sicher, daß sie über das Internet Kontakt zu mir aufnehmen wird.« Jonathan wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Sie fuhren ein paar Minuten, ohne daß jemand etwas sagte. Keiner wollte Jonathan widersprechen.
»Fahren wir nach Paswell?« fragte Sheila. Ihr gefiel der Gedanke, endlich mal wieder in einem richtigen Ort zu sein. Außerdem sehnte sie sich nach einer Dusche und einem Bett.
»Um Himmels willen, nein!« erwiderte Harlan. »Da laufen nur noch Infizierte rum.«
»Und wie haben Sie es geschafft, diesem Schicksal zu entgehen?« fragte Pitt.
»Am Anfang hatte ich einfach Glück«, erwiderte Harlan. »Und dann war ich zufällig dabei, als ein guter Freund von mir von einer dieser schwarzen Scheiben gestochen wurde. Seitdem habe ich die Dinger gemieden wie die Pest. Als ich eine ungefähre Vorstellung davon hatte, was da eigentlich vor sich ging, und mir klar war, daß ich nichts ausrichten konnte, bin ich in die Wüste geflüchtet. Und da habe ich mich seitdem versteckt.«
»Und wie konnten Sie hier draußen, mitten in der Wüste, Informationen über das Virus verschicken und einholen?« wollte Sheila wissen.
»Wie ich schon sagte«, entgegnete Harlan. »Ich habe ein kleines Labor.«
Sheila sah aus dem Seitenfenster. Die flache Wüste erstreckte sich bis zu den Bergen am fernen Horizont. Weit und breit war kein Haus zu sehen, ganz zu schweigen von einem biologischen High-Tech-Labor. Allmählich fürchtete sie, daß Harlan vielleicht nicht mehr ganz richtig im Oberstübchen war.
»Ich habe übrigens eine gute Nachricht«, erklärte Harlan. »Nachdem Sie mir die Aminosäuresequenz des aktivierenden Proteins nennen konnten und ich es selbst hergestellt habe, habe ich einen monoklonalen Antikörper entwickelt. Er ist noch nicht perfekt, aber ich bin sicher, wir können was daraus machen.«
Wie vom Schlag getroffen, drehte Sheila sich zu Harlan um und musterte den ledergesichtigen, blauäugigen, unrasierten Mann aus der Wüste. Sie konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte.
»Sind Sie sicher?« fragte sie.
»Natürlich bin ich sicher«, erwiderte Harlan. »Aber freuen Sie sich nicht zu früh. Er ist nämlich nicht so spezifisch, wie ich ihn gern hätte. Aber er funktioniert. Ich habe bewiesen, daß die antigene Wirkung des Proteins ausreicht, um bei einer Maus eine Antikörperreaktion hervorzurufen. Um meine Hybridomzelle herzustellen, muß ich nur noch eine bessere B-Lymphozyte auswählen.«
Pitt warf Sheila einen flüchtigen Blick zu. Obwohl er etliche Biologiesemester für Fortgeschrittene besucht hatte, hatte er keine Ahnung, wovon Harlan redete und ob die Erklärungen irgendeinen Sinn ergebe. Doch Sheila schien außerordentlich beeindruckt.
»Um einen monoklonalen Antikörper herzustellen, brauchen Sie hochentwickelte Reagenzien und Materialien«, hakte Sheila nach. »Zum Beispiel eine Quelle für Myelomzellen.«
»Da haben Sie zweifelsohne recht«, entgegnete Harlan. »Biegen Sie hier rechts ab, Pitt. Gleich hinter dem Kaktus.«
»Aber da ist doch gar keine Straße«, sagte Pitt. »Biegen Sie einfach irgendwo ab. Auf einen Meter hin oder her kommt es nicht an.«
Cassy erwachte von einem kurzen Nickerchen und sprang aus dem Bett. Sie befand sich in einem nach Süden ausgerichteten Gästezimmer im ersten Stock des prachtvollen Gebäudes. Sie ging an das große Fenster. Zu ihrer Linken sah sie Leute in der Auffahrt kommen und gehen. Nach vorne war ihr der Blick durch einen großen, belaubten Baum versperrt. Zu ihrer Rechten sah sie das äußere Ende des Swimmingpools und einen Rasen, der vor einem Pinienwald endete.
Sie sah auf die Uhr und überlegte, wann wohl bei ihr die ersten Grippesymptome einsetzen würden. So sehr sie sich auch den Kopf zermarterte, wieviel Zeit bei Beau zwischen der Infizierung
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