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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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wie angekündigt, ein. Das deutsche Seefahrtsbuch blieb damit in seinem Besitz. Dieses Dokument berechtigte ihn, weiter in Deutschland zu bleiben. »Genau genommen war meine Ausbildung ja noch gar nicht beendet, es fehlte der praktische Teil. Das hätten wir dem Typen in der Ausländerbehörde sagen und auf einer Verlängerung bestehen müssen«, sagt mein Vater. »Notfalls auf dem Gerichtsweg.« Aber damals war meinen Eltern nicht klar, wie man mit Behörden umgehen muss. Und dass man auch in Deutschland für sein Recht gelegentlich kämpfen muss.
    Damals dachten sie noch: Was der Beamte sagt, wird seine Richtigkeit haben.
    Mein Vater kaufte Bretter, um eine containergroße Kiste zu bauen. Das war die günstigste Art, einen Behälter für den gesamten Hausstand zu bekommen. Peter Cordes half ihm dabei. Meine Eltern verkauften die Waschmaschine, der Wasserdruck in den Leitungen von Karatschi hätte nicht gereicht, um das Gerät zu betreiben. Alles andere, was sich in fast zwei Jahren Deutschland angesammelt hatte, verfrachtete mein Vater in den Holzbehälter: Haartrockner, Kühlschrank, den Plattenspieler mit weißem Kunststoffgehäuse – schöne Geschenke für die Verwandten in Pakistan. Peter Cordes fuhr die Kiste mit seinem Lastwagen, mit dem er normalerweise Ziegelsteine und Zement zu Baustellen transportierte, zum Hamburger Hafen. Sie wurde auf ein Schiff der Hansa-Reederei verladen. Drei Monate später, im November 1976, kam sie in Karatschi an.
    Wozu warten, wenn die uns hier nicht haben wollen? Jetzt hatte mein Vater noch Gelegenheit, uns zu begleiten, bevor er Ende August wieder aufs Schiff musste. Meine Eltern verabschiedeten sich von allen Freunden, von Otti, Oma und Opa, von Kirschners und Familie Laurich. Sie verabschiedeten sich so, wie man es tut, wenn man davon ausgeht, dass man sich nie wiedersieht: schweren Herzens. Von Freunden aus Stade bekamen sie ein Album mit Bildern aus der gemeinsamen Zeit. »Es war schön mit euch! Tschüss und bis bald«, endete es.
    Und bald denkt keiner mehr daran, wie es hier war.
    Alle Verwandten in Pakistan erzählten mir, wie sehr sie sich damals freuten, als sie hörten, dass wir zurückkommen. Einen Monat vor Ablauf der Aufenthaltserlaubnis flogen meine Eltern mit mir nach Karatschi. Am frühen Morgen des ersten Augusttages betrat ich, bald ein Jahr und zehn Monate alt, das erste Mal pakistanischen Boden.

    Sich in Karatschi auf den ersten Blick zu verlieben, scheint mir unmöglich. Diese Stadt ohne Zentrum kann man erst auf den zweiten, vielleicht sogar erst auf den dritten oder vierten Blick mögen, von lieben will ich gar nicht reden. Der allgegenwärtige Gestank, der einen schier umbringt, Hundstage, eher Hundsmonate, in denen man vor Hitze zerfließt, dazu die dampfende Feuchtigkeit in der Monsunzeit von Juli bis September, der unerträgliche Verkehrslärm, das ständige Surren der Mücken, der zur Routine gewordene tägliche Stromausfall über mehrere Stunden, Geschichten über Korruption, Überfälle, Terror – Karatschi kann selbst besonnene Gemüter in den Wahnsinn treiben. Von einer mörderischen Magen-Darm-Infektion trennt einen hier immer nur ein Schluck Leitungswasser.
    Die einzige unerschöpfliche Ressource ist Zeit, jedenfalls dauert in dieser Stadt alles ewig: die Besuche von Freunden und Verwandten, das Warten auf einen Handwerker, beim Arzt, in der Schlange im Geschäft. Terminvereinbarungen sind nie wörtlich zu nehmen. Gut, dass es so selten deutsche Pünktlichkeitsmenschen hierher verschlägt – sie würden sehr bald durchdrehen.
    Nur wer sich auf all das einlässt, das Chaos akzeptiert, man könnte sagen: resigniert, erkennt den Charme dieser Stadt. Menschen, die einem permanent Tee anbieten, für die Gastfreundschaft oberstes Prinzip ist, selbst wenn sie nichts besitzen; Gebäude mit Verzierungen an den Fassaden, die bröckelnd an die Pracht kolonialer Zeiten erinnern; Moscheen aus Jahrhunderten, in denen islamische Kunst noch Maßstäbe setzte und diese Religion für das Schöne in der Welt stand; eine kulinarische Vielfalt, die West und Ost – afghanische und indische Küche –, salzig und süß, scharf und mild vereint.
    Karatschi, in der englischen Schreibweise
Karachi
oder, wie alteingesessene
Karachiites
gerne schreiben:
Kurrachee
– ein klangvoller Name für eine der größten Städte der Welt. Der Legende nach leitet er sich von einem Frauennamen ab: Mai Kolachi war eine Fischerin aus der Provinz Sindh, die sich an der Küste des

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